Zwergenkönig Goldemar auf Burg Hardenstein

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Die Hardensteiner sind nicht nur durch die »Querenburger Fehde« (siehe: Die drei Krähen im Wappen der Ritter von Langendreer) und durch Haus Rauendahl (siehe: Archäologische Sensation im Rauendahl) mit der Geschichte Bochums verbunden. Sie hatten auch einige Besitztümer im Bochumer Raum, zum Beispiel das Sattelgut Dahlhausen sowie den heute im Botanischen Garten der Universität Bochum gelegenen Beckmannshof.

Burg Hardenstein selbst, eine der am romantischsten gelegenen Adelssitze Westfalens, liegt in Witten-Herbede, an der sehenswerten »Burgenstraße an der Ruhr«. Diese alten Gemäuer sind aber nicht nur schön anzusehen, sie sind auch Nischen des Irrationalen, des Sagenhaften.

Eine der bekanntesten Sagen des Ruhrgebietes, mit der sich auch die Brüder Grimm beschäftigten, handelt vom Zwergenkönig Goldemar:

Vor mehr als 600 Jahren wohnte auf Burg Hardenstein der Zwergenkönig Goldemar. Bei Tisch saß er stets zur Rechten des Ritters Neveling von Hardenberg; man hörte den Zwergenkönig schlürfen und schmatzen, aber er selbst blieb den Augen verborgen, er war nämlich unsichtbar.

Mit seinem Pferd verhielt es sich nicht anders. Es stand im Stall, man hörte es saufen, trampeln und wiehern, aber niemand hat es je erblicken können.

Solange Goldemar auf der Burg wohnte, hatte Hardenstein eine gute Zeit. Die Speisekammern wurden nie leer und das Weinfass war stets bis zum Rand gefüllt. Wenn sich einmal Feinde in böser Absicht der Burg näherten, warnte der Zwergenkönig den Ritter, so dass er rechtzeitig Vorkehrungen treffen konnte. Beim gemeinsamen Würfelspiel leerte der Zwergenkönig mit dem Burgherrn manchen Becher guten Weines, und hin und wieder ließ er dabei sein Harfenspiel erklingen. Viele Leute, geistliche wie weltliche Herren besuchten Goldemar auf Burg Hardenstein. Der Zwergenkönig redete zwar mit allen, aber die Geistlichen konnte er nicht leiden; oftmals trieb er ihnen die Schamesröte ins Gesicht, indem er ihre heimlichen Sünden vor allen Leuten offenbarte. Den Ritter Neveling, den er seinen Schwager nannte, lehrte Goldemar, sich mit den Worten zu bekreuzigen: Unerschaffen ist der Vater, unerschaffen ist der Sohn, unerschaffen ist der Heilige Geist!

Zu dieser Zeit wohnte auch ein Küchenjunge auf Hardenstein, der unbedingt wissen wollte, wie der Zwergenkönig denn aussähe. Man munkelte, Goldemar habe Hände, kalt wie ein Fisch und weich wie eine Maus - aber es hatte ihn ja kein Sterblicher jemals zu Gesicht bekommen. Dem Küchenjungen jedoch war bekannt, dass Goldemar die Angewohnheit hatte, noch zu später Stunde in die Burgküche zu gehen, um sich mit ein paar vom Abendessen übriggebliebenen Happen zu stärken.

Der Junge hatte einen Plan: »Wenn ich nun Mehl und Erbsen auf die Kuchenstufe ausstreue, so stolpert Goldemar über die Erbsen, fällt zu Boden und verliert seine Tarnkappe, so dass ich ihn sehen kann, zumindest aber wird sich seine Gestalt im Mehl abzeichnen!«

Gesagt, getan. Der Junge bereitete alles vor, versteckte sich hinter der Küchentür und wartete, eine Stunde, zwei Stunden. Von Herbede klang der Glockenschlag zwölfmal herüber - Mitternacht. Plötzlich kam etwas durch den Flur, der Junge hörte es ganz deutlich. Knarrend öffnete sich die Tür, ein Schatten huschte herein, da - ein Aufschrei, der Zwergenkönig stolperte über die Erbsen und fiel polternd zu Boden.

In diesem Augenblick sprang der Küchenjunge hinter der Tür hervor und erblickte Goldemar. Dieser aber schnappte den Jungen, außer sich vor Wut, riss ihn auseinander und kochte und briet ihn anschließend in großen Töpfen. Diese Gerichte ließ er sich auf sein Turmzimmer bringen, das bis auf den heutigen Tag »Goldemars Kammer« heißt, und dort verspeiste er den Küchenjungen. Sein Schmausen war begleitet von Musik und Gesang, sonst war es mucksmäuschenstill in der Burg. Kein Mensch wagte auch nur einen Ton von sich zu geben, denn alle hatten große Furcht vor dem unheimlichen Treiben.

Neveling von Hardenberg war es, der am nächsten Morgen seinen ganzen Mut zusammennahm und als erster nach dem Rechten sah. Er ging also zu Goldemars Turmkammer und sah, dass über der Tür etwas geschrieben stand. Beim Nähertreten durchlief ihn ein kalter Schauder, denn die Worte ergaben einen Fluch: »Burg Hardenstein soll künftig so unglücklich sein, wie sie vormals glücklich gewesen ist, und all ihr Gut soll zerrinnen, solange nicht drei Generationen derer von Hardenberg zugleich am Leben sind!«

In der Folgezeit aber lebten niemals Großvater, Vater und Sohn in dem alten Gemäuer zusammen, und die Familie von Hardenberg starb schon vierzig Jahre nach diesem schicksalsschweren Fluch im Jahre 1439 im Mannesstamme aus. Die einstmals stolze Burg zerfiel im Laufe der Jahrhunderte zu der noch heute stehenden Ruine. Den Zwergenkönig Goldemar aber hat man seit jener Nacht nicht wieder in dieser Gegend bemerkt.

Haus Hardenstein liegt in Witten-Herbede am Hardensteiner Weg. »Goldemars Kammer« wird der Kaminraum in der 1. Etage des Südwest-Turms (der Turm am Hügel) genannt.

Volkssagen haben nicht nur einen Unterhaltungswert; zumindest in der Vergangenheit wurden sie als »wahr« angesehen und wirk(t)en zum Teil verhaltensbeeinflussend; so auch die Sagen um den »Zwergenkönig Goldemar auf Burg Hardenstein«.

Weiteres zu König Goldemar: http://www.heimatverein-albersloh.de/activities.php?year=15&month=10&lfdnr=01

http://www.nabu-naturschutzstation-muensterland.de/presse/koenig-goldemar-in-der-hohen-ward.html

http://www.naturgenussfuehrer.de/touren-nach-guide.html?id=30

https://www.geocaching.com/geocache/GC127BM_im-reich-von-konig-goldemor-nach-kyrill?guid=9758f95d-6c9d-4f0a-bc60-aae8496f939c


Literaturnachweis

  • Mündlich aus dem (Witten-) Herbeder Raum. In dieser Sage vermischen sich zwei alte schriftliche Quellen: a.) Gobelinus Person in: Sondermann,1999,163 lateinisch (original) und deutsch, sowie b.) Genealogie derer von Laer in: Sondermann,1999,165f. mittelniederländisch (original) und deutsch.




Weitere Sagen aus Bochum.



Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




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