Zeche Radbod (ein Nachtstück)

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

Wechseln zu: Navigation, Suche
Heinrich Kämpchen

Das folgende Gedicht von Heinrich Kämpchen beschreibt eine Katastrophe untertage.


Dräuend, ein Ungetüm,
reckt der Schachtturm seine Eisenstirn
zum Nachthimmel..
Um ihn, von ihm
glimmt`s wie Totenlicht,
wie Phosphorgefunkel,
wie Dunst der Verwesung.
Ein Beinhaus – riesig, ungeheuer –
(Sarkophag und Mausoleum)
liegt der Schacht da,
und die Nacht hockt darauf.


Sie, die Nacht,
wittert den Leichenduft,
der daraus emporsteigt,
feucht, nebelhaft,
wie die Hyäne den Grabesodem,
und schlürft ihn mit Wolllust.
Radbod und Nacht!
Grauen zu Grauen,
sie gatten sich.


Und die Fäule im Erdbauch,
als Genossin sich zugesellend,
speit ihren Gifthauch
aus Kluft und Spalt –
Odeur für Gespenster.
Aber das ist es nicht,
was die Nacht birgt
mit ihrem Mantel,
dem dichten.


Datei:Zerstörte Uhr - zerstörte Sicherheitslampe auf Zeche Radbod 1908.jpg
Verglühte Habseligkeiten, Zeche Radbod, ausgestellt im Deutschen Bergbaumuseum
Sie, die da unten liegen,
unter Trümmern und Schutt,
die Toten von Radbod,
sind doch nicht tot!
Wenn der Tag schläft,
wenn die Nacht brütet,
bei Schweigen und Öde
werden die Stimmen der Tiefe wach,
leben die Toten.


Sie winseln und wimmern nicht,
sie klagen und jammern nicht,
sie heischen Gericht,
sie fordern Sühne.
Und immer neu,
und immer wieder,
solange ihr säumet,
wird aus der Tiefe
die Mahnung kommen:
Gebt Recht den Toten!


So ruft es heute,
so wird es immer
in Zukunft rufen,
wenn auf dem Schachte,
dem gottverfluchten,
dem »Mörder« Radbod,
die Nacht sich lagert,
die graue Riesin:
Gebt Recht den Toten!

Anmerkungen

Das Gedicht bezieht sich auf die Katastrophe von Zeche Radbod in Hamm am 12. November 1908, die 348 Opfer forderte.

Die Zeche Radbod war ein Steinkohlen-Bergwerk im heutigen Hammer Stadtbezirk Bockum-Hövel an der Staße An den Fördertürmen, das von 1905 bis 1990 in Betrieb war.

Am 12. November 1908 ereignete sich ein Grubenunglück auf der Zeche, das bis dahin schwerste des deutschen Steinkohlebergbaus. Entweder durch eine defekte Wetterlampe oder eine durchgeführte Sprengung in einem Flöz wurde auf der dritten Sohle eine schwere Schlagwetterexplosion ausgelöst. Diese kostete 348 Menschen ihr Leben, was nahezu der gesamten Nachtschicht entsprach. An das Unglück und die Toten erinnert die Gedenkstätte Zeche Radbod auf dem Ehrenfriedhof für die Opfer im Hammer Stadtteil Hövel.

Die nach der Explosion wütenden Grubenbrände zwangen die Zechenleitung, die Grube bis 200 m über der ersten Sohle zu fluten. Mit dem Sümpfen der Zeche begann man am 17. Dezember 1908, die Arbeiten dauerten bis zum 25. Februar 1909. Dann unternahm man eine erste Befahrung, um die Schäden zu sichten. Bereits im Oktober wurde mit 701 Bergleuten die Förderung wieder aufgenommen, dennoch zogen sich die Aufwältigungsarbeiten bis ins Jahr 1910 hin.

Datei:Bockum Hoevel Denkmal Radbod IMGP8016 wp.jpg
Knieender Knappe, Gedenkstätte in Bockum

Das Unglück löste eine politische Diskussion über Arbeiterschutzmaßnahmen und Aufsichtspflichten aus, insbesondere wurde ein Arbeitsschutzgesetz gefordert. Als Folge dieses Unglücks wurde im Deutschen Reich angeordnet, dass in Schlagwettergruben die Benzinsicherheitslampen als Arbeitsgeleucht abgeschafft und durch neuartige elektrische Sicherheitslampen ersetzt werden. Diese wurden zuerst auf der Zeche Radbod eingeführt. Nach der Umstellung durften nur noch Steiger, Wettermänner und Schießhauer Wetterlampen benutzen. Siehe: Wikipedia

Zeche Radbod (WGS 84: 51° 41' 14.89" 7° 45' 49.10")

Gedenkstätte Radbod (WGS 84: 51° 42' 11" 7° 45' 46")

Literaturnachweis

  • H. Kämpchen, Durch Nacht zum Licht. Gedichte und Lieder aus dem Bergmannsleben 1889-1912. Ausgewählt und eingeleitet von W. Helf., Hg. Industriegewerkschaft Bergbau und Energie, Bochum 1962, S. 40f.


Datei:Rik.gif

Diese Sage folgt der Themenroute 22 – Mythos Ruhrgebiet der Route der Industriekultur des Regionalverbandes Ruhr.
Der RVR bietet zum Thema »Gedenkstätte Radbod« folgende Informationen.


Hier finden Sie: Zeche Radbod (51.687469° Breite, 7.763639° Länge)

Diesen Ort mit weiteren Geodiensten anzeigen. Weitere Sagen aus Hamm.



Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


Der Text ist urheberrechtlich geschützt. Nähere Informationen: siehe Impressum.

Ruhr2010Logo
Redaktion