Veleda im Rauendahl

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Reliefs der Traianssäule, Tafel LIII - Römische Soldaten an einer Quelle
»Wo ferne Ereignisse verloren gegangen wären im Dunkel der Zeit, da bindet sich die Sage mit ihnen und weiß einen Teil davon zu heben.« Jakob Grimm)

Bis zum Anfang des 5. Jahrhunderts n. Chr. bildete der Rhein die Grenze zwischen dem Römischen Reich und Germanien. Immer wieder kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen Germanen und römischen Truppen, denken wir nur an die sogenannte Hermannsschlacht im Jahre 9 n. Chr. Auch 69–70 n. Chr. tobten wieder Kämpfe am Rhein. Diesmal erhoben sich die Bataver, ein germanischer Volksstamm, der auch im heutigen Ruhrgebiet ansässig war, gegen die Römer. Geschickt nutzten sie die politischen Wirren, die durch den Mord an dem römischen Kaiser Galba ausgelöst worden waren, um die bedeutendste römische Stadt nördlich der Alpen, Colonia Claudia Ara Agrippinensium, heute kürzer Köln genannt, einzunehmen. Die germanische Priesterin Veleda spielte als Beraterin der Bataver eine wichtige Rolle bei dieser Erhebung. Nach zwei Jahren beendeten die Römer den Aufstand siegreich. Veleda wurde gefangen genommen und in einem Triumphzug durch die Straßen Roms geführt. Sie blieb in Rom und soll zwischen Germanen und Römern als Vermittlerin tätig gewesen sein. Der Sage nach wohnte Veleda zwischen Bochum und Hattingen, im vormals wild-romantischen Rauendahl auf einem Turm an der Ruhr. Hier lauschte sie den Stimmen ihrer Götter. Dem Volk zeigte sich die Priesterin kaum. Ihre Orakel verkündete Veleda meist in Versen; diese ließ sie den Ratsuchenden ausschließlich durch einen ihrer Verwandten mitteilen. Es heißt, ihre Voraussagen seien stets zutreffend gewesen. Wenigstens einmal irrte sie dennoch – ein entscheidender Irrtum. Sie sah die Niederlage der römischen Truppen beim Bataveraufstand voraus – es sollte anders kommen. Wenn sie gerade mal nicht orakelte, unternahm sie hin und wieder Ausflugsfahrten mit einem durch die Bataver erbeuteten römischen Schiff. Es heißt, dieses habe ihr als Freizeitjacht für Spazierfahrten auf der Ruhr gedient. Nobel, nobel. Selbst der römische Gelehrte Tacitus, geboren um 56 n. Chr., erwähnt Veleda in seinem bekannten Werk »Germania«: »Ja, die Germanen meinen sogar, den Frauen sei eine gewisse Heiligkeit und seherische Gabe eigen, und so verschmähen sie weder ihren Rat, noch verachten sie den erteilten Bescheid. Wir haben unter dem göttlichen Vespasian (Römischer Kaiser 69–79 n. Chr.) die Veleda gesehen, die lange Zeit bei nicht wenigen Germanen als göttliches Wesen anerkannt war ...« Tacitus war wohl Augenzeuge, als Veleda im Triumphzug durch die Straßen Roms geführt wurde. Die Römer hatten die Priesterin also wegen ihres großen Einflusses auf die Bataver verfolgt und schließlich gefangen genommen. Aus! Schluß! Vorbei! – Wo bleibt denn da das Positive, Herr Sondermann? – Nun gut. Der bunte Reigen der Volkssagen meinte es besser mit Veleda als die Wirklichkeit. Der Sage nach entkam die Seherin ihren Verfolgern. Heimlich, in einer tiefdunklen und regnerischen Nacht, floh sie aus ihrem Wohnturm im Rauendahl ruhraufwärts ins Sauerland. Dort suchte Veleda einen sicheren Ort, ein Versteck, um sich vor den Römern zu verbergen, und so drang sie immer weiter und weiter in das ihr unbekannte Gebiet vor. Endlich, nach langen Mühen, fand sie einen geeigneten Platz – eine große Höhle. Bald sprach es sich in der ganzen Gegend herum. Die Priesterin Veleda ist hier! Die Leute aus den angrenzenden Siedlungen brachten ihr viele kostbare Opfergaben, bald wurde auch die Höhle nach ihr »Veledahöhle« genannt. Selbst die Ortschaft nahe der Höhle heißt seit jener Zeit, in Anlehnung an den Namen der Seherin, »Velmede«. Einige geheimnisvolle Sagen ranken sich um diese etwa 70 Meter tief in den Berg führende Höhle, die zu den ältesten Kulturdenkmälern des Sauerlandes gehört. Viele Funde aus der römisch-germanischen Zeit zeugen von der reichhaltigen Geschichte der bis heute sehenswerten Veledahöhle. (Sondermann)

Statt ihres Turmes im Rauendahl aber sollen lange nachher die Herren von Hardenberg das mächtige, 1287 von den märkischen Grafen zerstörte Schloß errichtet haben, dessen Grundmauern sich bis in die Ruhr erstrecken und noch heute bei niedrigem Wasserstand sichtbar werden, ein Schlupfwinkel für mancherlei Gespenster, die des Nachts den Wanderer erschrecken. (Bahlmann)

Veledaturm (WGS 84: 51.4176° 7.184933°)

Veledahöhle (WGS 84: 51.3485° 8.379133°)

Literaturnachweis

  • Vgl. Sondermann, BS, 89–93; vgl. Bahlmann, 96f. (nach W. Grevel, Monatsschrift für die Geschichte Westdeutschlands, Jg.4, Trier 1878, 293–297; Petersen, 91, 194; von Steinen, Teil 4., 738); Heinz Winter, Königreich Stiepel, Bochum 1987, 22; Tacitus, Germania, Cap.VIII


Hier finden Sie: Veledaturm (51.4176° Breite, 7.184933° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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