St. Reinoldus, der Schutzpatron von Dortmund

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Reinoldikirche-1894
»Wer zu Reinoldis Chor hinaufsteigt, tut es mit leisem Schritt. Des Mittelalters gotische Süße wohnt sichtbar zwischen den teppichbunten Glasfenstern. « Fritz Mielert, 1921

Als die Bürger von Dortmund zum christlichen Glauben bekehrt waren, sahen sie sich nach einem Schutzpatron für ihre Stadt um. Sie erwählten dazu Sankt Reinhold, das gewaltige Haimonskind. Der hatte nach vielen ritterlichen Taten sein Leben. als frommer Werkmann und Märtyrer zu Köln beschlossen. Wie sie nun nach Köln sandten und um die Gebeine des Heiligen baten, schlug es ihnen der Bischof ab. Da geschah es aber zu dreien Malen, daß man den Sarg mit den Gebeinen vor dem Tore der Klosterkirche stehend fand, obgleich man ihn immer wieder hineintrug. Daran erkannten der Bischof und die Geistlichkeit der Stadt, es sei Gottes Wille, daß der hl. Reinhold nicht in der Kirche bliebe, sondern nach Dortmund käme. Als nun der Schrein mit dem hl. Leibe auf dem Karren war, fing der Karren von selbst an zu laufen, bis nach Dortmund, ohne Pferde oder menschliche Beihilfe, und blieb da an dem Orte stehen, wo die Kirche des hl. Reinhold hingebaut ist. Andere sagen, daß der hl. Leichnam »durch twe wilde Beeste« dahin gebracht worden wäre (das ist wohl: durch zwei Rinder, die man frei ohne Lenker laufen ließ). Im Jahre 1532 lagen die Dortmunder mit dem Grafen Engelbert von der Mark in Fehde. Da wurde in der Nacht auf den Sonntag Laetare ein Anschlag gemacht, daß durch eine Schleuse, hinter der Minor-Brüder Kloster, die Stadt sollte verraten werden. Die Feinde hatten schon das Gatter in der Wasserflut durchgefeilt. Aber Gott der Allmächtige hat durch die Fürbitte des Patrons Reinhold die Stadt vor solcher Verräterei gnädig beschirmt. Denn bei der Wacht, die damals nicht auf St. Reinholds, sondern auf unserer lieben Frauen Turme war, ist eine klare helle Stimme gehört worden, die sprach zu den Wächtern, deren einer Wunder hieß: »Wunder, sla de Klocken!« Er sah sich um, sah aber sonst niemanden, er fragte seinen Gesellen, ob er ihn die Glocke hätte schlagen heißen. Der sprach: »Neen«. Da rief die Stimme zum andern Mal: »Wunder, sla de Klocken!« Mit allem Umhersehen konnte er aber nichts gewahr werden. Da ließ sich die Stimme zum drittenmal hören: »Wunder, sla de Klocken!« Und es kam eine feurige, klare Flamme und schlug nach der Schleuse, da die Feinde in verrätlicher Arbeit lagen. Da Wunder dessen gewahr wurde, schlug er die Glocke. Die Feinde, die das hörten, meinten, bereits verraten und gefangen zu sein, schnitten die Snabben (Schnäbel) an ihren Schuhen ab, die derzeit sehr lang waren, ja die meisten ließen die Schuhe selbst liegen, und entflohen so schnell sie konnten. Des Morgens fand man eine große Menge der abgeschnittenen Snabben und Schuhe. Im Juli des Jahres 1377 ist der Graf Wilhelm von Berg mit vielen anderen Herren der Stadt feind geworden, und mit seinem Anhang drei Tage danach vor die Stadt gerückt, um sie zu belagern. Wiewohl sie nun in der ersten Nacht ohne Unterlaß Feuer in die Stadt geschossen und an den folgenden beiden Tagen auch 27 große Steinkugeln hineingeworfen haben, haben sie doch der Stadt wenig Schaden zugefügt. Und man will wissen, daß auch St. Reinhold auf der Mauer gestanden habe und seine Stadt als ein oberster Patron streitbar beschirmt, dergestalt, daß er der Kugeln wahrgenommen hatte wie wenn einer dem anderen einen Ball zuschlägt, und sie wieder zum feindlichen Heer hinein geworfen und damit dem Volk und den Pferden großen Schaden getan. Dietrich Westhoff, der dieses erzählt, hat selbst noch um 1538 das steinerne Bild Sankt Reinolds auf der Mauer nächst der Westenporten stehen sehen, mit einem ausgestreckten Arm, so, als schlüge er etwas von sich weg. Dieses Bild hat die Stadt derzeit nach der Belagerung zum Gedächtnis der Errettung errichten lassen.

Anmerkungen

Westenporten bezeichnet das ehemalige Westentor. Dortmund wurde nicht 1532, sondern am 18. März 1352 angegriffen. »Unser lieber Frauen» bezeichnet die Marienkirche gegenüber der Reinoldikirche am Ostenhellweg. Die Schleuse lag nahe dem ehemaligen Burgtor. Das Kloster Minor Brüder (Franziskanerkloster) lag zwischen Klosterstr. und Schwanenwall. Laetare ist der 3. Sonntag vor Ostern. Schnabelschuhe waren Schuhwerk mit langen schnabelförmigen Schuhspitzen. Dietrich Westhoff war Dortmunder Chronist.

St. Reinoldi-Kirche (WGS 84: 51.5148° 7.467067°)

St. Marienkirche (WGS 84: 51.513967° 7.467883°)

Literaturnachweis

  • Zaunert, 1967, 178-180 (nach E. Weyden, Cölns Vorzeit, Köln 1826, 159; D. Westhoff, Chronik von Dortmund und Neuss, Leipzig 1887, 215, 226)


Hier finden Sie: St. Reinoldi-Kirche (51.5148° Breite, 7.467067° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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