Reinhard Cop, der Räuber

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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»Wir kommen an Berghügeln, deren Gipfel fast sämmtlich Burgen, Sitze ausgestorbener Geschlechter trugen, entlang ...« Schücking-Freiligrath

In früheren Jahren wohnte auf dem Gute Horst an der Ruhr ein sehr reicher Kavalier (Jobst Dietrich von Wendt (1682-1719, D. S.), der viel Bedienstete hatte und von Herzen gut war. Unter den Bediensteten war auch eine junge Frau, Gertrud genannt, die ihre Arbeit sehr gut verrichtete, immer fleißig und dabei ungeheuer schön war. Zu gleicher Zeit diente bei dem Kavalier Reinhard Cop. Den hatte er schon als Jungen in seine Dienste genommen. Cop machte sich anfangs recht gut. Als er zwanzig Jahre alt war, warb er um die gleichaltrige Gertrud, und beide hatten sich recht lieb. Doch bald wurde Cop liederlich und lief jeden Abend nach (Essen-) Steele, wo sich damals viele Spitzbuben aufhielten. Dort plauderte er beim Tranke mit Gesindel, hatte die Taschen immer voll Geld, und keiner wußte woher er dieses hatte. Seinem Gertrudchen brachte er seidene Tücher und goldene Ringe mit, an denen das rote Blut noch klebte. Das Mädchen heulte und sagte: »Mein lieber Bräutigam, laß doch dein liederliches Leben und bleibe zuhause. Du trägst sonst noch großen Schaden davon.« Er ließ es aber nicht sein. Einst wurde dem Kavalier seine schönste Uhr gestohlen. Sie war aus Gold und mit Edelsteinen besetzt. Als das herauskam, sprach Gertrudchen Reinhard alleine an und sagte: »Dem Kavalier ist seine Uhr weggenommen worden und er hat allen Leuten gesagt, du wärst der Dieb. Du sollst zu dem Herrn kommen. Er will mit dir reden. Er ist oben in der großen Stube. Gehe schnell herauf. Ach, Reinhard, das hast du nun von deinem liederlichen Lebenswandel.« Als er dies hörte, lief er aus dem Pferdestall hinaus und eilte nach Steele. Dann ging er in derselben Nacht mit den Spitzbuben und dem üblen Pack weg und man hörte zwölf Jahre lang nichts von ihm. Er ist Räuberhauptmann geworden und stahl am Rhein und in vielen anderen Ländern mit seinen Leuten und machte viele Menschen tot. Gertrudchen heulte heimlich um Reinhard, war aber bald wieder vergnügt. Sie heiratete Conrad Fischer; der war ein schöner Junge und hatte das Mädchen schon von klein auf lieb gehabt. Der Kavalier hielt viel von ihm, denn er war Zimmermannmeister, und mit allem was er tat, war sein Herr zufrieden. Er wohnte in der Nähe von Haus Horst in einem kleinen Häuschen und lebte mit seiner Frau ganz vergnügt. Das dauerte aber nur vier oder fünf Jahre. Eines Abends als die Vögel flöteten, und die Blumen blühten, kam ein riesiger Herr in seine Stube. Er hatte Silber und Gold verzierte Kleidung an und einen Hut mit einem roten Federbusch auf seinem Kopf. Seine schwarzen Doggen sahen gruselich aus, und er glich mehr einem Spitzbuben als einem edelen Herrn. Er sagte zu Gertrudchen: »Mein liebes Mädchen, ich konnte dich nicht vergessen. Ich bin nun reich und ein Räuberhauptmann. Du sollst nun mit mir gehen und meine Frau werden. Jeden Tag kannst du Braten essen und Wein trinken!« Da fing Gertrudchen zu heulen an und rief: »Reinhard Cop, ich kenne dich wohl und nehme dich nicht. Ich bin schon mit Conrad Fischer verheiratet – nun gehe aus dem Zimmer und mache mich nicht unglücklich!« Cop biß voller Zorn auf die Zähne, schlug auf den Tisch, zog ein langes Messer aus dem Rock und rief: »Das soll euch allen den Tod bringen!« Die arme Frau rief um Hilfe. Da kamen sie alle aus Haus Horst und nahmen Cop in Arrest. Sie setzten ihn in den schwarzen Turm, fesselten ihn an Armen und Beinen und legten ihn in Eisen. In drei Tagen wollte der Kavalier Gericht über ihn halten. In der zweiten Nacht darauf, kam ein Mann mit einer Botschaft vor das Schloß und sagte dem Torwärter: »Mache mir das Tor auf, ich habe einen Brief an den Herrn von dem Kavalier von Hardenberg und ich muß sogleich eine Antwort darauf haben.« Der gute Wärter machte die Tür auf. Bei Gott, da stürmten sechzig Räuber herein mit Säbeln und Flinten und Gott weiß was. Sie waren bei Duisburg über den Rhein gesetzt. Da Wärter rief, aber sie schossen ihm in die Knochen., liefen zu dem Turm und befreiten ihren Hauptmann. Die Räuber randalierten fürchterlich. Da kam Conrad Fischer angelaufen. Er hatte zwei Pistolen in der Hand und wollte dem Kavalier zu Hilfe kommen. Da ergriffen ihn die Räuber und stachen ihn durch den Ärmel in den Arm; da hat er die Pistolen fallengelassen. Cop schleifte ihn über die Erde aus dem Tor und sprach: »Hund! Du hast lange genug mit meiner Braut geschlafen. Nun sollst du alleine liegen und ich, ja, ich will dich zu Bett bringen!« Da lachten die Räuber und stießen den armen Conrad, das ihm das Blut aus Nase und Mund lief. Der Hauptmann nahm ein großes Messer und stach es ihm in den Hals, daß das warme Blut in die Höhe spritzte. Dann nahm er die Pistolen, die Conrad gehörten und schoß ihm damit durch das Herz. Der Kavalier hatte unterdes seine Sturmglocke gezogen und es schwärmten sofort von allen Seiten die Schulten und Einwohner heran mit Hacken, Stangen, Sensen und Säbel. Die Räuber waren aber mit ihrem Hauptmann schon über alle Berge. Nach Verlauf von zehn Jahren soll Cop aufgeknüpft worden sein in einer Stadt am Rhein mit allen seinen Gesellen. Der massakrierte Conrad wurde von dem Cavalier auf dem Gut Horst begraben; und er hat ihm einen Leichenstein gesetzt. Darauf kann man lesen, wenn man das Moos davon wegschrappt: »Anno 1717 zwischen den 4. und 5. Mai um Mitternacht zwischen 11. und 12. Uhr, ist der ehr-und achtbare, der Baukunst wohlerfahrene Conrad Fischer auf diesen Platz durch Reinhard Cop und seinen Mitkameraden jämmerlich ermordet worden..« 

Gertrudchen heulte Tag und Nacht um ihren Mann und kriegte die Auszehrung und starb in Horst desselben Jahres. Viele Leute haben sie und ihren Conrad auf dem Leichenstein in weißen Hemden sitzen sehen, wenn die Glocke zwölf schlug: Sie wischte ihm das Blut weg, was ihm auf die Brust tropfte und heulte. Und wenn sie so saßen, ist der Geist von Reinhard Cop aus dem kleinen Buschwerk, daß bei dem Leichenstein wächst, gekommen. Er war in eiserne Ketten gelegt und wenn er die weißen Hemden sah, dann sank er in die Erde. Flammen und Schwefel schlugen ihm an seinem Rock hoch. Das haben in mancher Nacht viele alte Leute gesehen und ich auch. Gott verhilf uns allen ins Himmelreich!

Anmerkungen

Der »Leichenstein« steht noch heute rechter Hand, einige Meter nach der Einfahrt zu Haus Horst, etwas zwischen Rhododendren verborgen. Der Stein ist zu besichtigen, die Burg selbst nicht (Privatbesitz). Die Anlage stammt ursprünglich aus dem 12. Jahrhundert und schützte den Ruhrübergang. Östlich von Haus Horst (östlich von dem Mahnmal unterhalb von Haus Horst) an der Ruhr befindet sich ein Hügel (Vryburg), eine ehemalige Wallburg aus der Merowingerzeit (6.–8. Jahrhundert). Schloß Hardenberg, heute ein Museum, steht in Velbert-Neviges Zum Hardenbeichen Herrn von Hardenberg nach Burg Hardenstein (siehe Sage 73).

Leichenstein, Haus Horst (WGS 84: 51.432617° 7.11585°)

Schloss Hardenberg (WGS 84: 51.31673° 7.085801°)

Burg Hardenstein (WGS 84: 51.420717° 7.3015°)

Multimedia

Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.



Literaturnachweis

  • Sondermann, WS, 53–56, 160 (nach Firmenich, 367–369)


Hier finden Sie: Leichenstein, Haus Horst (51.432617° Breite, 7.11585° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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