Kult- und Grabstätten in Bochum

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Tippelsberg in Bochum


Es war im Spätherbst des Jahres 14 n. Chr. Irgendwo zwischen Ruhr und Lippe – der genaue Ort ist leider unbekannt – feierten die Marser, ein germanischer Volksstamm, im Heiligtum ihrer Göttin Tanfana ein Kult- und Opferfest. Unter den Germanen herrschte während solcher Festzeiten, ähnlich wie bei den Olympischen Spielen im antiken Griechenland, ein Waffenstillstand, der so genannte Festfrieden. Gegen Abend waren die Festteilnehmer zum gemütlichen Teil des Tages übergegangen und machten es sich bei Speisen und berauschenden Getränken bequem. Der Abend war schon weit fortgeschritten, als von allen Seiten her unversehens ein lautes Kampfgeschrei ertönte und 12.000 römische Legionäre mit gezückten Schwertern einen nächtlichen Überraschungsangriff gegen die völlig verwirrten Marser unternahmen. Die Römer richteten ein grässliches Blutbad unter den Festbesuchern an; alle Marser, ob Männer, Frauen oder Kinder, wurden niedergestreckt. Auch das Heiligtum wurde von den römischen Truppen dem Erdboden gleichgemacht. In den Tagen danach verwüsteten die Römer im Umkreis von fünfzig Meilen mit Feuer und Schwert das gesamte Land. Vergeltung war der Grund für diese blutige Aktion, Vergeltung für die Teilnahme der Marser an der fünf Jahre zurückliegenden so genannten Hermannsschlacht, bei der die Römer eine vernichtende Niederlage hatten hinnehmen müssen.

Andere Quellen berichten, Germanicus, der Neffe des Kaisers Tiberius und damalige Oberbefehlshaber der römischen Truppen am Rhein, habe diesen Rachefeldzug unternommen, um durch ein militärisches Vorgehen gegen äußere Feinde den inneren Frieden und die Disziplin des Römischen Heeres wiederherzustellen. Denn im Zusammenhang mit dem Tod des Kaisers Augustus und der Wahl des Tiberius zum Römischen Imperator waren Gerüchte über eine Truppenrevolte am Rhein aufgekommen.

Während dieser Rachefeldzüge – die keine größeren politischen Veränderungen zugunsten des römischen Einflusses im rechtsrheinischen Germanien mit sich brachten – suchte Germanicus den Ort der Hermannsschlacht auf und ließ die seit sechs Jahren unbestattet umherliegenden römischen Gefallenen feierlich beisetzen. Ein germanischer Kult-, Fest- oder Begräbnisort wie der oben genannte hat möglicherweise auch auf dem Tippelsberg bei Riemke gelegen; nachzuweisen ist dies heute nicht mehr, da die Stadt Bochum den Tippelsberg als Endlagerungsstätte für den U-Bahnaushub gebrauchte.

Darpe:

Der Tippelsberg hieß vormals T(D)iebelsberg = Teufelsberg. Seit der Christianisierung (wohl ab 800) bezeichneten die Christen Orte altheidnischer Gottesverehrung nicht selten abschätzig als Teufelsberg. Gleiches gilt für den unweit des Tippelsberg gelegenen, ehemaligen Düvels (=Teufels)hof in Grumme und der so genannten »Düvels-Hütt«, einem wohl 1822 erbauten und 1927 abgerissenen Fachwerkhaus in Gerthe. Kortum, 1790, leitet Berg- und Hofnamen von Tibelin, »einem der vornehmsten Götter der Gallier und Sachsen«, ab. Nach Kuhn, 1859, berichtete der Tippelsberger Bauer Thiem, er habe oftmals Knochen, Asche und Kohle zu Tage gepflügt, was auf germanische Brandopfer hinweisen könnte (siehe die Sagen vom Tippelsberg).

Erwähnenswert ist, dass »Teufel« vom germanischen Gottesnamen Tyr abgeleitet wurde. Die Christen setzten Tyr dem griechischen Begriff Satan-os, Widersacher Gottes, gleich. Tyr (Teufel), der griechisch-antike Gottesname Zeus, das lateinische Wort für Gott: Deus, griechisch: Theos, gehen auf das indo-germanische Wort devah = leuchtender Gott, zurück. Tyr war ursprünglich ein Gott des Krieges und der Volksversammlung, dem sogenannten »Thing«. Thin (-g) begegnet uns in Dien-(stag). Die Wochennamen wurden seit der Antike mit den Namen der Planeten benannt; diese wiederum waren identisch mit den Namen der ihnen zugeordneten Götter; demnach feiern wir jeden Dienstag den Namenstag des heidnisch-germanischen Gottes Tyr, der mit dem Planeten bzw. römischen Gott Mars gleichgesetzt wurde. Weiterhin wurden am Donnerstag Donar (Jupiter) und am Freitag Freyja (Venus) verehrt.

Kortum berichtet von einem »Viehgott der Sachsen«, Loe genannt, dem unsere Altvorderen am Lohberg Opfergaben dargebracht haben sollen. Wenn die Hirten auch jetzt (1790) noch Heloe, loe, loe rufen, heißt dies soviel wie Heiliger Loe«.

Kortum schließt möglicherweise vom Substantiv »Lohe« – das nicht nur einen aus Baumrinde gewonnenen Gerbstoff zur Lederherstellung bezeichnet, sondern auch »Flamme, flammendes Feuer« bedeuten kann – auf einen frühgeschichtlichen Kultort.

Die Straßennamen Am Lohberg und Lohbergstraße weisen bis heute auf diesen Ort hin.

Auch die großen Findlinge werden Tiebels-, Düvels- oder Herkensteine genannt (siehe Horkenstein) und waren entweder Grabstätten alter verstorbener Helden, oder wahrscheinlicher, Altäre der Götzen. Zu diesen gehört auch der »alte Riesenstein«, Brunstein genannt, auf dessen Mitte eine tiefe Rinne (Blutrinne?) ausläuft. Er könnte in germanischer Vorzeit als Opferstein gedient haben. Der rötlich-braune (brune) Granitfindling lag vor dem nach ihm benannten und schon 1486 erwähnten Brunsteinhof. Das im 2. Weltkrieg zerstörte Anwesen lag unweit der Brunsteinstr. am Steinring 52a. Der Brunstein liegt seit 1901 vor der Agricola-Bergbaufachhochschule Herner Straße / Ecke Nordring.

Auch in Wattenscheid soll es eine germanische Kult- bzw. Grabstätte gegeben haben. Zwischen der Hüllerstraße und dem hohen Bahndamm lag nach Westen zu ein Hügel, Lusebrink genannt. Diese Anhöhe wurde in den zwanziger und dreißiger Jahren unseres Jahrhunderts zur Herstellung von Ziegelsteinen abgetragen. Auf der Hügelspitze wurde 1930/31 bei Ausschachtungsarbeiten ein vorfränkischer, mit Feuerstätten versehener, Urnenfriedhof entdeckt. Grabbeigaben fand man dabei nicht.

R. Grasreiner, der die Ausgrabungen leitete, wusste auch, dass bei der Aufschüttung des Bahndammes, in unmittelbarer Nähe des Hofes Schulte-Hordel, ein großer germanischer Opferstein mit eingeschlagener »Blutrinne« zugeschüttet worden ist. Offensichtlich besteht ein Zusammenhang zwischen diesem vorfränkischen Denkmälern und der folgenden Sage:

In alten Zeiten seien in stürmischen Winternächten die Schattengestalten kampferprobter Männer am Lusebrink gesehen worden. Mächtige Tierhörner schmückten ihre Helme. Das helle Klirren ihrer Schwerter, mit denen die Männer auf die Schilde schlugen, und das Krachen der Schilde, die sie gegeneinander stießen, bildeten eine gespenstische Begleitmusik zu ihrem in der Nacht weithin hörbaren Gesang. Sobald aber von fern her der erste Stundenschlag, der den neuen Tag anzeigte, zu hören war, verschwanden die Geistgestalten so plötzlich, wie sie erschienen waren.

Seitdem der Lusebrink abgetragen ist, wartet man jedoch vergeblich auf den nächtlichen Spuk, denn mit dem Hügel verschwanden auch die Schattengestalten, und nur die Sage noch berichtet von dem seltsamen Geschehen. Der Düvelshof lag auf dem heutigen Gelände des Kleingartenvereins Rottmannshof e.V., in der Nähe der Böckenbergstraße /Ecke Auf dem Güstenberg. Die Düvels-Hütt stand dort, wo jetzt der Bunker Castroper Hellweg /Ecke Hans-Sachs-Straße steht. Der Hof Schulte-Hordel lag zwischen Hofstraße und Zechenbahndamm (F.W. Bröker).

Tippelsberg (WGS 84: 51.505333° 7.22705°)

Literaturnachweis

  • Schulze, 1987, 26-43; Kortum, 1790, 215; Kuhn, 122f.; Pütters, 4; Darpe, 7f., BSN, 142f.


Hier finden Sie: Tippelsberg (51.505333° Breite, 7.22705° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




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