Kaiserin Theophanu

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Das Essener Kloster erfreute sich der besonderen Gunst der sächsischen Kaiser. Die Töchter der Vornehmen und Großen wurden hier erzogen, Ottos II. Gemahlin Theophano nannte sich Fürstäbtissin von Essen. Sie war jedenfalls mit Essen und dem umliegenden königlichen Besitz aufs engste verbunden. Es ist deshalb gerechtfertigt, wenn wir hier das Wenige anführen, was uns der Chronist der Sachsenkaiser, der im Jahre 975 geborene Bischof Thietmar von Merseburg von ihren Schicksalen zu berichten weiß. Politische Gründe hatten Otto I. den Großen zu einer Heirat seines Sohnes mit einer Prinzessin aus dem in Konstantinopel residierenden griechischen Kaiserhaus bestimmt. Aber erst kriegerische Ereignisse und eine Palastrevolution in Konstantinopel brachten ihn zum Ziele. Der neue Griechenkaiser »sandte sogleich mit prächtigen Geschenken zwar nicht die früher gewünschte Jungfrau, doch aber seine Muhme (Tante), namens Theophano, unserm Kaiser übers Meer zu, löste damit die Seinen und gewann die erbetene Freundschaft des erhabenen Herrschers. Es waren da einige, welche diese Verbindung beim Kaiser zu hintertreiben suchten und rieten, die Prinzessin wieder zurückzuschicken. Auf diese aber hörte er nicht, sondern gab sie seinem Sohne zur Gemahlin, zum Wohlgefallen aller Fürsten Italiens und Deutschlands.« So kam sie nach Deutschland. Die Essener adeligen Nonnen werden ihre Zuneigung gefunden haben. Essen wurde ihrer besonderen Obhut unterstellt. In der Umgegend ließ sie zu dauerndem Aufenthalt ein Lustschloß errichten. »Vixit in ripa Rurae, in silva, quae dicitur Kettil, in loco venatorio superbo ab ipsa Theophania aedi?cato (Sie lebte am Ufer der Ruhr, in einem Walde, der Kettil genannt wurde, in einem herrlichen, von Theophania selbst erbauten Jagdschloß)«, sagt von Steinen in seiner Westfälischen Geschichte. Hier hielt sie Hof, hier war ihre zweite Heimat und hier war es, wo sie die Trauernachricht von dem allzu frühen Tode ihres auf einer Romfahrt begriffenen Mannes ereilte. »Sie wohnte damals«, so schreibt Thietmar, »in den Abendlanden, mit Recht so genannt, weil dort mit der Sonne sich alles Recht, aller Gehorsam und alle Liebe des Menschen zum Menschen zum Untergange wendet. Die Nacht ist nicht anders als der Schatten der Erde, und alles, was die Eingeborenen jener Gegend tun, ist nichts als Sünde. Dort mühen sich fromme Prediger des göttlichen Wortes vergebens ab; dort vermögen die Könige und andere Fürsten wenig; Räuber und

Verfolger der Gerechten herrschen. In jenen Reichen ruhen vieler Heiligen Körper, allein die Einwohner verschmähen dieselben, wie ich höre, voll verstecktem heidnischen Sinnes. Doch damit mich nicht jemand für einen Schüler des triefäugigen Crispinus (= Schwätzer, D.S.) halten möge, so schweige ich von diesen Unchristen, indem ich nicht zweifele, daß sie wegen unerlaubter fleischlicher Verbindungen und wegen unsäglicher anderer Ränke ihrem Untergange nahe sind. Sie haben unzählige Bannsprüche ihrer Bischöfe gering geachtet, und darum werden sie keinen Bestand haben.« Diese schreckliche gottverlassene Gegend, dieses Abendland war unser schöner Erdenwinkel Hier in der Nähe von Essen hatte sich Theophano ihren Landsitz erbauen lassen; konnte sie dafür einen besseren Platz finden als am Ufer der Ruhr, in deren blauen Wellen sich die Sonne spiegelte, da, wo sich das Tal nach Werden hin öffnete und die Landschaft liebliche Bilder vorzauberte und wenigstens in etwa für den heimatlichen Bosporus entschädigte? Hier war die liebliche Aue, »in der Nittlau« heißt noch heute die Gegend, und »Nuttelau« war der Name des Schlößchens, das hier erstand. Ein kümmerlicher Rest nur des Bergfrieds ist von ihm übrig geblieben, der »stumpfe Turm (stuppen Tuoan)« heißt er im Volksmunde, eine Bezeichnung, die eine Erinnerung an griechischen Baustil bedeuten könnte. Mehr und mehr gerät diese Bezeichnung zugunsten des klangvolleren Namens Kattenturm in Vergessenheit. (...) Theophano hat hier, was sie suchte, gefunden: Landschaft, Wald, Berg und Fluß; hier weilte sie im Kreise ihrer Kinder, hier empfing sie die Grafen und Edlen, die zu Hofe kamen. Nach hier kam auch der junge schöne Pfalzgraf Ezzo von Nieder-Lothringen, gerade als von Essen die Kaisertochter Mechtilde zu Besuch weilte. Diese fand ein nicht minder großes Gefallen an dem jungen Pfalzgrafen, wie er an der Kaisertochter. Die Mutter war bald für eine Verbindung der jungen Leute gewonnen, aber die Weigerung des Vaters war nicht zu überwinden; so wurde bei einem neuen Besuche der Plan zur Entführung und Flucht erwogen und schnell zur Tat. Ezzo nahm die Kaisertochter mit auf sein Schloß nach Braunweiler, heiratete sie und lebte mit ihr in glücklicher Ehe als mächtiger Pfalzgraf

am Rhein; eine Aussöhnung mit der Kaiserfamilie fand aber erst nach dem Tode seines kaiserlichen Schwiegervaters statt. Auf der Burg Nuttelau schenkte Theophano auch ihrem Sohne, dem nachmaligen Otto III. das Leben, ein Ereignis, das die Überlieferung festgehalten hat bis auf den heutigen Tag. »Sein (Ottos II.) erhabener Sohn«, so erzählt Thietmar, »der ihm im Jahre 980 in einem Walde namens Ketil (Kessel) geboren wurde, war von den Erzbischöfen Johannes von Ravenna und Willigis von Mainz am Tage nach der Geburt Christi zu Aachen zum Könige gesalbt.« Der Vater war auf einer Romfahrt begriffen und sollte Deutschland nicht mehr wieder sehen. Er starb in Italien im Jahre

983. Für den jugendlichen Otto III. führte seine Mutter in ruhmvoller Weise die Regentschaft. »Theophano war, obgleich als Weib nicht frei von der Schwäche ihres Geschlechts, doch voll bescheidener Festigkeit, und führte, was in Griechenland selten ist, einen vortrefflichen Lebenswandel. Sie wahrte, indem sie mit wahrhaft männlicher Kraft über ihren Sohn wachte, das Reich, die Frommen in jeder Weise begünstigend, die Hoffärtigen (die Überheblichen, D. S.) aber schreckend und demütigend.« Als Reichsverweserin wurde Theophano ihrer beschaulichen Ruhe auf Nuttelau entzogen. Sie war bald im Norden, bald im Süden; ein langes Leben war ihr nicht beschieden, denn ihr Sohn war erst 11 Jahre alt, als auf einer Reise in die Westmark der Tod ihrem Leben ein Ziel setzte. Unser Chronist berichtet das Ereignis folgendermaßen: »Im nächsten Jahre nach dieser (am 21. Oktober 989 eingetretenen) Sonnenfinsternis aber erkrankte die Kaiserin und schied nach glücklich vollbrachtem Lebenslauf zu Niumagun (Nimwegen) am 15. Juni aus diesem Leben. Sie ward von Ewerger, damaligem Erzbischofe von Köln, in der St. Pantaleons Kirche, welche Erzbischof Bruno, der daselbst begraben liegt, auf seine Kosten hat erbauen lassen, in Gegenwart ihres Sohnes, der die dortigen geistlichen Brüder zum Heil der Seele seiner Mutter reich beschenkte, zur Gruft gebracht.« Mit ihrem Tod und vollends mit dem Aussterben der sächsischen Kaiser (1024) verfiel ihr Schlößchen Nuttelau in Dornröschenschlaf und schließlich geriet es in Vergessenheit und Verfall. Die

Familie der Burgverwalter, das nachmalige Geschlecht derer von Luttenowe (Luttelnau) ist ebenfalls längst erloschen und Kettwig, vor bald 1000 Jahren zeitweise kaiserliche Residenz, wurde und blieb ein Blümlein im Verborgenen. (Bahlmann) Der Sage nach soll es am Kattenturm nicht geheuer sein. Von Zeit zu Zeit soll dort ein schreckliches Fauchen zu hören gewesen sein. Dies rühre von einem schwarzen Kater her, der im Keller auf einem mit Gold-und Silbermünzen gefüllten Topf sitze und diesen und eine goldene Spindel bewache. Da Katze im Plattdeutschen »Katte« heißt, so habe die Ruine den Namen »Kattenturm« erhalten. (Schulze)

Anmerkungen

Die Ruine Luttelnau (Nuttelau); wohl herzuleiten von lutik = klein, also kleine Au ist Am Kattenturm zu besichtigen. Braunweiler liegt südwestlich von Rüdesheim in Rheinland-Pfalz. Nimwegen liegt in den Niederlanden. Ravenna liegt in Norditalien. Die Kirche St. Pantaleon steht in Köln an der Waisenhausgasse. Zu Kloster (Stift) Essen siehe Sage 40. Die oben geschilderten Begebenheiten lassen sich historisch nicht belegen. Wahrscheinlich wurde der »Kattenturm« zwischen 1230 und 1240 für einen Gefolgsmann des Sohnes des Grafen von Isenberg, der sich nun auch von Limburg nannte, erbaut (siehe die geschichtliche Einleitung zu Hagen). Ende des 13. Jahrhunderts brannte die Anlage wohl ab. Der Bosporus bezeichnet die Meerenge zwischen Europa und Asien im heutigen Istanbul (Türkei). Lothringen gehört heute zu Frankreich. Braunweiler liegt in Rheinland-Pfalz. Ein Reichsverweser vertritt den König bei dessen Minderjährigkeit.

Kattenturm (Schloß Nuttelau) (WGS 84: 51.368583° 6.960767°)

Literaturnachweis

  • Bahlmann, 1922, 165–171 (von W. Flothmann, Aus vergangenen Tagen: Kettwiger Zeitung 1920, Nr. 17; Die Chronik Thietmars, Bischofs von Merseburg, nach der Ausgabe der Monumenta Germaniae übersetzt von J. C. M. Laurent, Berlin 1848, Buch II., 9, III., 16, IV, 8, 10); vgl. Schulze, 1990, 209


Hier finden Sie: Kattenturm (Schloß Nuttelau) (51.368583° Breite, 6.960767° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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