Jungfer Prinkernell

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Paul Hoecker-Mädchen am Spinnrad

Es wohnte einst eine schöne Jungfer in Recklinghausen. Ihre Eltern hatten ihr einen Kramladen hinterlassen. Obwohl sie schön und auch reich war, wollte sich doch kein Mann finden, der sie genommen hätte. Niemals fand sie Zeit, mit dem jungen Volke zum Tanze zu gehen. Und abends, wenn die Bürger schon hinter den Fenstern schliefen, saß sie noch lange mit ihrer Magd am Spinnrocken. So häufte sich in ihrem Hause der Reichtum, und sie hatte ihre heimliche Freude daran. Die Leute aber wunderten sich, gingen in den Laden und kauften; denn da war alles zu haben. Den Armen gab sie nichts von ihrem Überfluß. Als die Jungfer nun gestorben und in der Kirche vor dem Kreuzaltar begraben war, hörte man, daß sie all ihr Hab und Gut den Jesuiten vermacht habe.

Nicht lange danach sah ein Mann, der Juffer Prinkernell sehr gut gekannt hatte, an einem späten Herbstabend ein furchtbares Gespenst in der Stadt. Ein riesengroßes Weib - wohl sieben Männer hoch - mit schmerzverzerrtem Antlitz schwebte in weißem Gewande daher, in den ringenden Händen Elle und Waage haltend, als wollte sie alle Welt warnen; klagende Laute erfüllten die Luft. Der Mann, der das zuerst gesehen und gehört hatte, eilte entsetzt nach Hause; an dem Abend konnte er mit seiner Frau kein Wort mehr sprechen. Denn ihm war Juffer (Jungfer - D. S.) Prinkernell begegnet, die im Grabe keine Ruhe finden konnte, weil sie im Leben betrogen hatte. Später ist sie auch noch anderen erschienen, und Furcht und Schrecken hielt die Leute abends von der Straße. Als aber einmal ein frommer Mönch nach Recklinghausen kam, ist es ihm gelungen, den nächtlichen Spuk zu bannen. Seit der Zeit trieb er nun sein Wesen im Emscherbruch, kam aber in jeder Neujahrsnacht wieder nach Recklinghausen. An der Jesuiterei, dem zerstörten Nolteschen Haus (Ecke Kampstraße – Löhrhofstraße), hat dann noch mancher späte Gast die Juffer Prinkernell gesehen und ist im Schrecken davongerannt.

Anmerkung

Ein Spinnrocken ist ein Stab am Spinnrad, um den die Rohfasern gewickelt werden. Jesuiten, auch Gesellschaft Jesu (Societas Jesu, SJ) genannt, ist eine katholische Gesellschaft des apostolischen Lebens für Männer. Sie wurde am 15. 8. 1534 von einem Freundeskreis um Ignatius von Loyola in Spanien gegründet. Die Bezeichnung »Jesuiten“ wurde zunächst als Spottname gebraucht, später aber von dem Orden selbst übernommen. Die Jesuiterei lag auf dem Gelände des jetzigen »Löhrhofcenters“ an der Löhrhofstr.

Die Jungfrau Maria Theresia Prinkernell war die einzige Tochter des Juristen Dr. Prinkernell in Recklinghausen. Im Jahre 1692 vermachte sie ihr Haus testamentarisch den Jesuiten. Diese richteten dort eine Jesuitenmission ein, die sogenannte Jesuiterei. Die Erblasserin wollte vom Orden nur für die Zeit ihres Lebens notdürftigen Unterhalt und nach ihrem Tode die Kosten für ein ehrbares Begräbnis, wie es in Recklinghausen üblich war. Sie führte angeblich einen Laden, und man sagte ihr nach, dass sie mit dem Gewicht betrogen habe. Den Jesuiten machte der Stadtrat das Leben schwer.

Löhrhofcenter (WGS 84: 51.61326° 7.20076°)

Literaturnachweis

  • Vetter, Eugen, Mein Vestisch Land, Recklinghausen 1949, S. 43; in Am. verwendete u. weiterführende Lit. : Kollmann, 87


Hier finden Sie: Löhrhofcenter (51.61326° Breite, 7.20076° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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