Hexentanz in der Gillstraße zu Ergste

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Die Hexe (Albrecht Dürer)

Es näherte sich Tomsesel, der Tag der Wintersonnenwende (21.12.). Der Ruhrnebel lag auf dem schlummernden Dorf. Dem späten Wanderer funkelte gelegentlich das trübe Licht einer Ölfunzel durch den dichten Nebel entgegen. In den warmen Stuben der schmucken Fachwerkhäuser schnurrten die Spinnräder, und die Mägde ließen, sich lustig unterhaltend, die feinen Fäden durch ihre Finger laufen. Hier und da drang nach draußen auch Gelächter, wenn einer der Knechte ein »Vertälken« vorgetragen hatte oder dem alten Oehme, der fleißig am »Kauauge« nippte, ein schönes »Stücksken« eingefallen war und er es zum besten gab. Wie anders war es um diese Zeit auf dem Gillkotten. Zwischen dem Deitert und Hallo war es in solchen Nächten nicht geheuer. Angst und Sorge steckten den Gillköttern in den Gliedern. Auf der Türschwelle legten sie in solchen Nächten zwei Stähle als Kreuz übereinander, um im Haus vor Teufelswerk geschützt zu sein. Die alte Bessmömme murmelte dazu: »Dieses Kreuz banne den, der hier herüber gehet, so lange ins Kreuz, bis die Sonne aufgehet!« Selbst die Tiere im Stall waren in dieser Zeit unruhig. Die Hunde, von denen es auf jedem Hof reichlich gab, kamen winselnd, mit hängender Rute angeschlichen. In solchen Nächten brauchten die Bewohner nicht lange zu warten, bis draußen im Hohlweg zwischen den Eichen der Tumult und das nicht zu überhörende Gejohle des Hexentanzes begannen. Gruselig war es, schemenhaft verschwammen alle Gegenstände im dichten Nebel. Wehe dem, der zu solcher Stunde den Gillkotten aufsuchte. Das nackte Grausen überfiel den Besucher, und kalt lief es seinen Rücken herunter, daß er schauderte. Kam er zu nahe an die sich wild gebärdenden Hexen, so gewahrte er nur einen Katzenreigen, der auch als ein Knäuel von balgenden Katzenleibern sichtbar sein konnte und so einen harmlosen Anschein erweckte. Doch war es nicht selten, daß sich eines der Tiere auf den späten Besucher stürzte. Beim Gewahren der glimmenden Augen hieß es nur noch, die Beine in die Hand zu nehmen, laufen, was das Zeug hielt, nur bestrebt, die rettende Tür des Gillkötters zu erreichen, bevor einem das Biest im Nacken saß. Ängstlich drehte sich der späte Besucher noch einmal um und bekreuzigte sich, froh, dem Teufelsspuk entwichen zu sein. Erst wenn vom Lindenbrink die Kirchturmuhr die erste Morgenstunde schlug, trat Ruhe ein. Der Hexentanz war verflogen. Doch dauerte es eine Weile, bis auch die Bewohner zur Ruhe kamen. Um mit sich selbst wieder ins Reine zu kommen, brauchte manch einer ein sicheres »Plätzken«, auch wenn das Versteck nur aus einem Linnenlaken bestand, das er sich schützend über den Kopf gezogen hatte.

Anmerkungen

Gillstraße (Reste des zugeschütteten einstigen Hohlweges sind als Wall mit altem Baumbestand gegenüber der Gillstr. 24ff. erhalten), Auf dem Hallo, Im Deitert (beides ehemalige Flurnamen). Die Kirche steht gegenüber der Kirchstr. 20.

Gillstraße (WGS 84: 51.407973° 7.571704°)

Auf dem Hallo (WGS 84: 51.410891° 7.570868°)

Im Deitert (WGS 84: 51.412701° 7.564658°)

Kirche (WGS 84: 51.415187° 7.567949°)

Literaturnachweis

Palme,1987, Nr. 52 (Mitgeteilt von Friedhelm Mann, Ergste); vgl. Schmidt,193f.



Hier finden Sie: Gillstraße (51.407973° Breite, 7.571704° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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