Hexenmeister Bottermann

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Der Hexenmeister (Carl Spitzweg)

Einer der bekanntesten Hexenmeister in Witten war Bottermann. Einst fuhr er von Witten über Höntrop nach Steele bei Essen und ließ dort seinen mit einem großen Fass Wein beladenen Wagen von sieben schwarzen Katzen den Steeler Berg hinaufziehen. Daraufhin wurde er der Zauberei beschuldigt und der Wasserprobe unterzogen, die er jedoch nicht bestand, weil der Teufel, mit dem er ein Bündnis geschlossen hatte, ihm einen Schelmenstreich spielte und ihm nicht, wie versprochen, eine unsichtbare Stange Eisen, sondern eine Nähnadel auf den Rücken legte. Er erlebte einmal im Leben einen warmen Tag, wie er es selbst bezeichnete: das war der Tag, an welchem er lebendig verbrannt werden sollte.

Ort der Handlung ist Witten:

Richter: Ist es nicht wahr, und muss er nicht bekennen, dass er ein Zauberer ist, sich von Gott abgewendet und dem Teufel zugesagt hat? Wer hat ihn die Zauberkunst gelehrt, und wie lange hat er sie gebraucht?

Bottermann: Er wüsste nicht, dass er die Zauberkunst könne.

Richter: Hat er nicht dem schwarzbraunen Pferd der Frau von Witten ins Maul gesehen, und war es danach nicht krank und starb, als man es vor den Pflug spannen wollte?

Bottermann: Er sei daran unschuldig, und dem Pferd ins Maul gesehen zu haben, wisse er sich nicht zu erinnern.

Richter: Hat er nicht selbiges Pferd bezaubert, und was hat er dazu gebraucht?

Bottermann: Er habe nichts dazu gebraucht, habe es auch nicht bezaubert.

Liebe Leserinnen und Leser, diese Zitate stammen nicht aus älteren Schauergeschichten oder einem der Romane über das Mittelalter á la Umberto Eco; es sind Zitate aus Vernehmungsprotokollen des Gerichts unserer Nachbarstadt Witten vom 4. Oktober 1647. Einer der vier Unterzeichner des Schriftstückes war Conrad Wiesmann, Pastor der lutherischen Pfarrkirche von Langendreer-Ümmingen (hinter Alte Ümminger Straße 1).

Der Hexenaberglaube erlebte gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges (1618-48) keinesfalls nur in Witten eine traurige Blüte. In vielen deutschen Staaten brannten die Scheiterhaufen. Vor den Toren Braunschweigs sollen die Brandpfähle dicht wie ein Wald gestanden haben. Der im Vernehmungsprotokoll Beschuldigte namens Arndt Bottermann und mindestens dreizehn weitere Personen fielen allein 1647 in Witten dem Hexenaberglauben zum Opfer.

Arndt Bottermann war dem Besitzer des Rittersitzes Haus Berge, später Haus Witten genannt, (an der Ruhrstraße 86 gelegen) dienstverpflichtet und hatte Frondienste zu leisten. Eines Morgens sollte er Korn holen. Zu diesem Zweck musste er ein Pferd ausspannen, das zuvor einen Wagen der Frau von Witten, Anna Johanna von der Reck, gezogen hatte. Einem anderen Pferd soll er das Maul geöffnet haben, vielleicht um das Gebiss zu untersuchen. Anschließend wurde dieses Ross in den Stall geführt. Als es später vor einen Pflug gespannt werden sollte, war es krank, mit Ungeziefer bedeckt und verendete bald darauf. Die Frau von Witten gab Bottermann die Schuld an dem rätselhaften Tod des Tieres. Kurz nach diesem Ereignis soll er das Pferd einer Marktfrau verhext haben, so dass auch dies bald darauf starb. Von nun an hielt man Bottermann für einen Zauberer. Das Dorf ächtete ihn, und die Jugend wies mit Fingern auf den alten Mann. Die Anschuldigungen der Ortsbewohner kränkten ihn sehr. Weil er nicht länger als Ausgestoßener dastehen wollte, bat er den Richter Übelgünn seine Unschuld durch ein Gottesurteil, und zwar durch die Wasserprobe, beweisen zu dürfen. Zitat Bottermann: »Da ich mich vor Gott und der ganzen Welt solch gottloser Zauberkunst unschuldig weiß, ...und mir die üblen Nachreden und Verleumdungen stark zu Herzen genommen habe, bitte ich um die Wasserprobe«. Nach zweimaligem Gesuch wurde seiner Eingabe am 30. September 1647 stattgegeben. Der Richter bestimmte, dass die Wasserprobe am folgenden Donnerstag, dem 3. Oktober, um 9 Uhr morgens stattfinden sollte. Ort des Geschehens sollte der sogenannte »Hexenkolk« sein (dort gelegen, wo heute die Eisenbahnbrücke über die Wetterstraße führt).

Nachdem Bottermanns Hände an seinen Füßen festgebunden worden waren, warf der Scharfrichter ihn ins Wasser, wartete einige Zeit und zog ihn dann mittels eines Seils wieder aus dem Kolk heraus. Diese Prozedur wiederholte sich dreimal, und jedesmal versank der Angeklagte nicht im Wasser, sondern trieb auf der Oberfläche, was einem Schuldbeweis gleichkam. Er wurde in den Kerker geworfen und wohl auch zur Tortur verurteilt. Nachdem Bottermann auch auf der Folterbank kein Geständnis abgelegt hatte, suchten die Pastoren Steller aus Witten und Wiesmann aus Ümmingen den Beschuldigten auf, um ihn zu einem Schuldbekenntnis zu bringen. Sie redeten so lange auf ihn ein, bis er schließlich gestand, er habe Verbindung mit dem Teufel gehabt und dieser habe ihn dazu verleitet, die Wasserprobe zu verlangen. Der Teufel sei sogar persönlich bei dem Gottesurteil am Hexenkolk zugegen gewesen, habe ihm aber nicht beigestanden. Er erklärte, er sei ein Zauberer, habe mit seiner Kunst aber niemandem etwas Böses zugefügt.

Was Arndt Bottermann bewogen hat, diese absurden Schuldbekenntnisse abzulegen, ist nicht bekannt. Vielleicht hatten Kerkerhaft und Folter ihn so sehr zermürbt, dass er des Lebens müde war. Möglich ist auch, dass der Hexenwahn der Zeit ihn so gefangen hielt, dass er schließlich selber an die Schuld glaubte, die die Geistlichen ihm einzureden versuchten.


Anmerkungen

Arndt Bottermann wurde an der Grenze zwischen Witten und Langendreer am Galgeneck (unweit der Rheinischen Straße in Witten) gehenkt, sein Leichnam wurde auf dem Hexenring (in der Nähe des heutigen Friedhofs an der Pferdebachstraße) verbrannt.

Soweit die offizielle Geschichtsschreibung. Bei der Bevölkerung dieser Region erregte der Scheiterhaufen in Witten großes Aufsehen. Das Volk hatte damals natürlich keine Einsicht in Gerichtsprotokolle, abgesehen davon, dass das Gros der meist bäuerlichen Bevölkerung weder lesen noch schreiben konnte. Doch auch nach 200 Jahren waren die Wittener Vorfälle noch erzählenswert. In dieser Zeit wurde das Geschehen von Mund zu Mund weitergegeben, von Generation zu Generation weitergesagt. Die historische Begebenheit wurde vom Volk zu deuten versucht (Warum half der Teufel nicht bei der Wasserprobe?) und weitererzählt. Aberglaube, Überlieferung und Erfahrung der Erzählenden haben das Gesagte, die Sage, im Laufe der Jahrzehnte inhaltlich verändert. Die Sage wurde beim Weitererzählen immer stärker an bereits bekannte, ähnliche Sagen angeglichen und somit in ihrer historischen Substanz gemindert. Doch lesen Sie selbst: Der »Fall Bottermann«, wie man ihn sich hundertachtzig Jahre später (im Jahre 1823) erzählte:

Wenn man den »Justizfall Bottermann« mit der Volkssage vom »Hexenmeister Bottermann« vergleicht, ist zu erkennen, dass die Sage einen klar hervortretenden Kern geschichtlicher Fakten aufweist. Ein historischer Kern lässt sich durchaus auch in anderen Sagen wiederfinden, so dass man viele Sagen als Geschichtsüberlieferungen des Volkes ernst nehmen kann.

Auch in Bochum wurden im Jahr 1588 zwei Bürger, die sich gegenseitig der Zauberei beschuldigten, nämlich Johann Erve und Gerwin vor dem Baum, der Wasserprobe und Folter unterzogen.

Haus Mallinckrodt, um 1324 erbaut, liegt in Herdecke, Gederner Str. 20. Gedern ist ein Stadtteil von Witten. Der Steeler Berg liegt in Essen-Steele. Einen Katzenwagen benutzte auch die germanische Göttin Freyja. Gleiche Person (Buttermann bzw. Bottermann aber 176 Jahre früher), Anno Domini 1647.

Hexenkolk (WGS 84: 51.427617° 7.3438°)

Haus Mallinckrodt (WGS 84: 51.40045° 7.361617°)

Multimedia

Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.



Literaturnachweis

  • Petersen, 87; Bahlmann, 87f.: Kuhn, 133f.; Haren, 145-149; Die historischen Vernehmungsprotokolle zum Fall Bottermann befinden sich im Archiv des Vereins für Orts- und Heimatkunde in der Grafschaft Mark in 58452 Witten,Husemannstr.12


Hier finden Sie: Hexenkolk (51.427617° Breite, 7.3438° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




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