Die wilde Flut

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

Wechseln zu: Navigation, Suche

Von dem Dorfe Halen, das einst unterhalb Hombergs am linken Ufer des Rheins lag, erzählt man, dass es in einer Nacht mitsamt einigen Nachbarorten im Jahre 1583 von den Fluten des Rheins hinweggespült worden sei. Was die Ursache dazu war? Manche sagen, dass es den Leuten zu wohl ging, dass sie zu sehr auf ihre eigene Lust und die starken Dämme gebaut und den Herrgott vergessen hätten. »Wir wollen uns lieber auf unsere Deiche als auf Gott verlassen«, antworteten sie dem Priester.

Aber als sie sich auf die Deiche verlassen wollten, vergaßen sie mehr und mehr, sie in Ordnung zu halten. Der Leichtsinn nahm zu. Dann brach eines Tages die Flut herein. Sie wurde allen Bewohnern ohne eine einige Ausnahme zum Grab. Es soll in der Christnacht gewesen sein. In der Kirche haben sie dem Priester am Altar das Messer in die Brust gestoßen und im heiligen Gotteshaus wie die wilden Tiere gewütet, so lange, bis das furchtbare Verhängnis über sie dahinbrauste.

Und wie war es in Lindecum? Du magst vergeblich nach der Ortschaft suchen, auf der Karte wie in der Landschaft draußen am Rhein. Lindecum ist nicht mehr, wie Halen nicht mehr ist. Der Bauer Wolters feierte Hochzeit mit der Tochter eines reichen, aber gottlosen Bürgers. Es ging hoch her, so dass man alle Gefahr vergaß, denn es war gegen Ende des Winters, und schon seit Tagen steigen die Fluten, und es pochten die Eisschollen gegen die Tore und Mauern. Als das Fest zum Höchsten gestiegen war, vermischte sich das Getöse der Fluten mit dem Angstgeschrei der Bürger – aber schon war es zu spät. Einzig der Bauer Wolters und sein junges Weib entkamen, weil der Hof auf einem Hügel lag, alle anderen starben in den Wellen. Als es Morgen ward, sah der Bauer da, wo eins blühende Höfe und Dörfer mit stolzen Kirchen lagen, nichts als die gelbe strömende Flut. In manchen stillen Tagen, wenn sich in den Buchten des Rheins das Wasser kaum bewegt, hört man aus der Tiefe ein Glockenläuten und meint, im klaren Wasser auf dem Grund die Ruinen von Kirchen und Häusern zu erkennen.

Anmerkungen

Das Dorf Halen lag unterhalb Duisburg-Homberg am linken Ufer des Rheins. Lindecum lag bei Rheinberg – Orsoy.

Multimedia

Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.



Literaturnachweis

  • Erich Bockemühl, Das goldene Spinnrad, Niederrheinische Sagen, Märchen und Legenden neu erzählt von Erich Bockemühl, 2. überarbeitete und erweiterte Auflage, Duisburg 1960, S. 105




Weitere Sagen aus Rheinberg.



Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


Der Text ist urheberrechtlich geschützt. Nähere Informationen: siehe Impressum.

Ruhr2010Logo
Redaktion