Die geheimnisvolle Richtstätte zu Horst

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Haus Horst
Noch stehst du hier auf Horst der Thürme Grausen,
In den Gewölben, die dein Fuß betritt,
Wenn auf des Thurmes Höh’ die Sperber hausen,
Wenn in die Tiefe dort Dein Auge glitt, –
Dann fragest Du: wozu der Kerker Menge?
Und schauderst vor der finstern Richter Strenge.
Wer Horst, das alte Horst erbauet?
Das sagt Dir selbst die fernste Sage nicht;
Doch manche Spur, die noch Dein Auge schauet,
Erzählt von jenem schrecklichen Gericht;
Und, dass nur Einer steigen kann, so enge
Zieh’n in die Tiefe sich geheime Gänge.
Dort, wo die Nacht dem Sonnenstrahl nie weichet,
Lag auf dem Block das scharf geschliff ’ne Beil,
Und nur dem Molch, der auf dem Boden schleichet,
Ward hier ein Leben ohne Fluch zu Theil.
Nur Wenige, die Henker ausgenommen,
Sind aus der Tiefe je zurück gekommen.
Doch weg von jenen Bildern, jenen Schrecken
Der alten Zeit! – Die Aussicht ist so schön;
Drum lass uns etwas ruhn, und zu den Flecken,
Der jenseits freundlich liegt, hinüber seh’n.
Ist’s Wenigern, wo einst Ludgerus lehrte?
Ein Mann, den nie genug die Nachwelt ehrte.

Außer dem unter der Ruhr herführenden Gange, der nach der Sage die beiden Schlösser Horst und Altendorf verband und häufig zu nachbarlichen Besuchen benutzt sein soll, befand sich auf Burg Horst auch eine geheimnisvolle Richtstätte unter der Erde, zu der in der Mauer eine kaum zwei Fuß breite Treppe hinabführte.

Vor etwa 150 Jahren entdeckten dort im Keller spielende Knaben eine hölzerne Falltür, an der sie hoben und zogen, bis sie sich auftat. Neugierig, wie Kinder sind, stiegen sie mit Lichtern die steilen Stufen hinunter und drangen bis zu einem Gewölbe vor, dessen Mitte ein großer runder Hauklotz einnahm. Als sie aber näher tretend, drauf noch das alte verrostete Beil des Henkers erblickten und bei Flackern ihrer Lichter sogar die schwarzen Schattengestalten der Gerichteten im Raum zu sehen vermeinten, da war’s um ihren Mut geschehen und vor Angst zitternd traten sie Hals über Kopf den Rückweg an. Erst im hellen Sonnenlicht beruhigten sich wieder die erregten Gemüter und eingehend untersuchten sie nunmehr das Beil, das doch noch einer von ihnen mitzunehmen gewagt hatte.

Auf die Kunde von ihrem grausigen Funde hätte vielleicht ab und zu noch mancher kühne Fuß gern die unheimliche Stätte, an der auch das Rauschen der Ruhr zu hören sein sollte, betreten, wenn nicht der vorsichtige Besitzer des Gutes sofort den Zugang zu dem Gewölbe vermauert und später (1821) dessen Einsturz jeden Besuch unmöglich gemacht hätte.

Anmerkungen

Meine Hypothese der Bestimmung dieser Burg für die Blut- und Verrichtungen des alten Vehm- oder heimlichen Gerichts mag durch folgenden Vorfall zu entschuldigen scheinen.

Ein alter Eingesessener des ehemaligen Gerichts Horst erzählte mir vor etwa zwanzig Jahren (wohl um 1807, D. S.), dass er vor langer Zeit auf Befehl der damaligen Besitzerin, Freifrau von Wendt zu Hardenberg, zum Bau eines neuen Ökonomie- Gebäudes Steine von der Ruine des Hauses Horst abbrechen sollen. In der 7 bis 8 Fuß dicken Seitenmauer der ehemaligen Burgwohnung, die den Torweg zum innern Burghof begrenzt, findet er einen großen platten Stein, und wie er diesen mit Mühe aufgehoben, unter demselben eine enge steinerne Treppe, deren Stufen steil in der Mauer herabführen. Der enge Gang erscheint bald verschüttet, wird nicht weiter beachtet, wieder zugedeckt, und der Steinbedarf an einer andern Stelle der Ruine gewonnen. Mehrere Hindernisse verzögerten meine beabsichtigte Untersuchung dieses auffallend geheimen Ganges, und die angrenzende Stelle, wo einst die Wohnzimmer der alten Burg gewesen zu sein schienen, war mit der Zeit durch Auftragen von Erde auf das Gewölb-Gemäuer zu einem Garten aptiert. Da erfuhr ich vor ungefähr sechs Jahren von einem alten anwohnenden Bergmann, mit dem ich über die geheime Treppe zufällig sprach, dass sein Großvater auch schon davon erzählt. Dieser Großvater nämlich hatte noch den alten, gewesenen Jäger der letzten, die Burg bewohnenden, Herrschaft gekannt, und wie der Erstere dem alten Jäger einmal eröffnet, er habe mit mehreren anderen Knaben im Keller des alten schon damals verfallenen Schlosses gespielt, und dort eine hölzerne Falltür gefunden, welche zu einem finsteren engen Gang in die Tiefe geführt, so habe der alte Jäger gesagt: »das sei der geheime Gang, der bis zum Spiegel der Ruhr führe. Wenn man in der Tiefe bis nächst dem am Fuß des Berges fließenden Bach komme, finde sich ein runder Hauklotz (Anm. Block), auf welchem ein altes verrostetes Beil liege.« 

Auf diese Erklärung wären die neugierigen Knaben mit Lichtern die alte Treppe herunter gestiegen, hätten auch Block und Beil gefunden, sich aber nicht getraut weiter zu gehen, das Beil indes sogar mit sich genommen. Soweit die Erzählung des Bergmanns, die meine Aufmerksamkeit erneuerte. Bald erhielt ich vom gefälligen jetzigen Bewohner Horst’s Erlaubnis und Unterstützung zum Aufbrechen des Gemäuers, wo nach meiner Anweisung die geheime Treppe sein sollte. Nach vieler Mühe fand sich der platte Stein, dann unter ihm in der Mauer eine steil hinabführende Treppe, die kaum zwei Fuß breit. Acht Stufen derselben waren vom Schutt gereinigt, da führte ihre Wendung links zu einem Gewölbe der alten Burgwohnung, über welchem der neu aptierte Garten lag. Die Tür zu diesem Gewölbe, auf die wir jetzt stießen, war sorgfältig vermauert. Ich ließ sie erbrechen, die durch diese Tür fortlaufende Treppe führte, oder schien gleich weiter zu führen in die Tiefe hinab. Sobald aber jetzt die Luft in den geöffneten Keller drang, stürzte das Gewölbe mit dem aufliegenden Garten ein, und verbot für jetzt, ohne bedeutenden Kostenaufwand, weitere Forschung. In dieser Lage blieb die Sache bis heute, obschon eine weitere Untersuchung manchem Freunde der alten Geschichte angenehm sein dürfte. (Rautert)

Bei der Anlage eines Teiches im Park von Haus Horst stießen die Gärtner um 1983 auf einen alten Brunnen, in dem der Sage nach die Napoleonischen Truppen bei ihrem übereilten Rückzug aus der vormals preussischen Grafschaft Mark, ihre gesamte Kriegskasse verborgen hatten. Der Brunnen ist noch heute aufgemauert in der Teichanlage zu sehen. (mündlich von Frau Niklas, Besitzerin von Haus Horst, 4. Juni 2004).

Die einst wasserumwehrte Burg Altendorf liegt in Essen-Burgaltendorf, Burgstr. 2. Die Kölner Erzbischöfe hatten die Anlage um 1180, nachdem ihnen der Stauferkaiser Friedrich I. Barbarossa das Herzogtum Westfalen übereignet hatte, als einen von mehreren militärischen Stützpunkten an der Ruhr errichten lassen. Bis 1180 war Heinrich der Löwe von Braunschweig aus dem Geschlecht der Welfen, ein Schwiegersohn des Königs von England, Richard I. Löwenherz, Lehnsherr von Sachsen (Westfalen gewesen. Nach der Schlacht von (Köln- Worringen im Jahre 1288 kam die Burg in den Besitz der Grafen von der Mark. (Die Schlacht endete übrigens in einer vernichtenden Niederlage des Erzbischofs von Köln und beendete dessen politische Vormachtstellung gegenüber den rheinisch-westfälischen Territorialherren. Zudem legte der Ausgang des Kampfes den Keim für eine selbständige Entwicklung der Niederlande, Belgiens und Luxemburgs.

Burg Altendorf (WGS 84: 51.417283° 7.1233°)

Haus Horst (WGS 84: 51.431967° 7.117033°)

Literaturnachweis

  • Bahlmann nach Rautert, 95-97;
  • zur Burg Altendorf vgl. Eversberg, 1980, 125-129


Hier finden Sie: Haus Horst (51.431967° Breite, 7.117033° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Wattenscheider Sagenbuch.
Essen: Verlag Pomp, 2004
ISBN 3-89355-248-0.



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