Die Sage vom Fuchsschwanzhalter und der Kluterthöhle
Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet
Einst kam ein Wanderer von Köln her und wollte nach Hohenlimburg. Als er Schwelm hinter sich gelassen hatte und den Wald vor Voerde erreichte, brannten seine Füße vom langen Marsch. Er setzte sich ans Ufer der Ennepe, um sich zu erfrischen.
Da knackte es im Gebüsch – und plötzlich stand ein Zwerg neben ihm mit grauem Bart und faltigem Gesicht. »Ach«, sagte der Wanderer bittend, »kannst du mir den nächsten Weg nach Hohenlimburg sagen?« Der Zwerg blinzelte freundlich und antwortete: »Der kürzeste Weg geht durch den Berg. Da ist der Eingang.« Mit seinem kurzen Zeigefinger deutete er den Abhang hinauf zwischen die Felsen. »Aber damit du dich nicht verirrst, gebe ich dir diesen Fuchs mit. Halte dich nur gut fest an seinem Schwanz. Er bringt dich sicher durch den Berg.« Dabei drückte er dem Wandersmann einen rotbraunen Fuchs in die Arme und verschwand, wie er gekommen war.
Der Wandersmann rief einen Dank hinter ihm her, kletterte den Berg hinauf und fand den schmalen Eingang zur Kluterthöhle. Fest packte er den Fuchs am Schwanz. In der Höhle legte sich die Finsternis um die beiden. Kühl und still umschloss sie der Berg. Der Boden war rutschig und glatt, aber der Fuchs zog den Wanderer mit sich durch dunkle Felsspalten, an murmelnden Bächen und tropfenden Gewölben vorbei. Manchmal musste auch der Mann auf allen Vieren kriechen, so tief waren die Gänge. Überall tiefe Dunkelheit. Und mit klopfendem Herzen hielt er den Fuchsschwanz fest. Endlich schimmerte in der Ferne Tageslicht. Das musste der Ausgang sein!
Doch bevor die beiden die Öffnung erreichten, war da draußen plötzlich ein sonderbares Geräusch zu hören: Ein dumpfes Grollen und Zischen drang in die Höhle. Vorsichtig streckte der Wandersmann seinen Kopf hinaus. Welchen Schrecken packte ihn da, als er ganz nahe vor sich einen gewaltigen Riesen liegen sah, der schnarchte und prustete. Schnell zog der Wanderer den Kopf zurück und lugte nur mit einem Auge aus seinem Versteck. Er beobachtete den Hünen und umklammerte den Fuchsschwanz noch fester. »Was soll ich tun?«, dachte der Reisende, »soll ich es wagen, an ihm vorbeizulaufen?« Aber schon erwachte der Riese, ächzte und stöhnte fürchterlich; dann richtete er sich auf – er war wohl zehn Ellen hoch – reckte sich und streckte sich, schnaubte wie hundert Pferde, dass die Erde zitterte. Dann stapfte er zu einer Quelle, legte sich davor auf den Bauch und schlürfte durstig das frische Wasser. Aber auf einmal drehte er seine Nase in alle vier Himmelsrichtungen. Er stand auf, schob gierig den Kopf vor und murmelte: »Ich rieche es. Ein Mensch muss in der Nähe sein. Den muss ich haben.« Der arme Mann in der Kluterthöhle konnte jedes Wort hören. »Ein Mensch! Wo ist er? Ich will ihn fressen, habe ja heute erst drei winzige Hasen verspeist. Etwas wenig für einen Riesen wie mich.« Der Riese fing an zu suchen, bog alles Gebüsch zur Seite, stöberte zwischen Felsen umher, polterte aber an der Höhle vorbei. Immer größer wurde sein Zorn, immer lauter sein wütendes Gebrüll, dass die Berge widerhallten. Bäume riss er mit den Wurzeln aus und wälzte sie den Abhang hinunter; mächtige Steinblöcke schleuderte er hinab ins Tal.
Der Wandersmann war bleich vor Angst. Schweiß lief ihm über die Stirne, seine Hände zitterten – und plötzlich ließ er den Fuchsschwanz los. Das Tier – voll Freude über seine Freiheit – sprang aus der Höhle hinaus und sauste an dem Riesen vorbei in den Wald. Als der Hüne das sah, rannte er mit großen Schritten und furchtbarem Jagdgebrüll hinter dem Fuchs her. Der Wandersmann hörte die Donnerstimme langsam schwächer werden, bis sie sich nach und nach hinter den Bergen verlor. Da fühlte er sich allmählich wieder munter genug. Er kroch ganz ans Tageslicht und sah bald die Häuser von Hohenlimburg vor sich in der Sonne leuchten.
Anmerkungen
Die Elle ist ein altes Längenmaß; 1 Elle = 60-80 cm.
Seit der Zeit wird der Ausgang der Höhle, vor der der Riese lag, das »Hünentor« genannt. Niemand weiß, wann die Kluterthöhle in Ennepetal entdeckt worden ist. Sicher ist aber, dass schon vor 400 Jahren die Höhle in Kriegszeiten den Menschen als Zuflucht diente. Längst sind nicht alle unterirdischen Gänge erforscht und darum beschäftigt das Geheimnisvolle solcher Naturhöhlen immer wieder die Fantasie der Menschen. Zwar gibt es in Hagen-Hohenlimburg ein sogenanntes »Hünentor«, aber es findet sich an jener Felsenstelle kein Ausgang der Kluterthöhle. Diese Sage wurde vor etwa 150 Jahren zum ersten Mal von den Gebrüdern Grimm aufgeschrieben.(Schmidt)
Der Eingang zur Kluterthöhle befindet sich in Ennepetal an der Gasstraße 10. Die Kluterthöhle hat keine Verbindung zu den Höhlen an der Hünenpforte.
Die Hünenpforte (Hünentor) ist ein Kalksteinfelsen bei Hagen-Hohenlimburg. Er befindet sich gegenüber der Hohenlimburger Straße 155 (B 7), oberhalb der Bushaltestelle ``Hünenpforte´´. Der Blick von der Hünenpforte reicht über das Lennetal bis zur Hohensyburg und in das Ruhrtal. Der Name umschreibt das Aussehen des Felsens: Der natürliche Bogen aus Kalkstein ist ca. fünf bis sieben Meter hoch und erscheint wie eine Pforte für einen Hünen. Um die Hünenpforte ranken sich viele Sagen, Mythen und Geschichten, die sich um Riesen und Raubritter drehen. Tatsächlich handelt es sich bei der Hünenpforte um das Portal und um die Reste einer riesigen eingestürzten Höhle. Diese Einsturzhöhle bildete sich vermutlich aufgrund von Karsteinflüssen durch den Zusammenbruch der Höhlendecke oder aber vielleicht durch ein Erdbeben. Der Zeitpunkt des Einsturzes lässt sich noch nicht nachweisen.
In den Höhlenresten der Hünenpforte wurden Werkzeuge aus dem Jungpaläolithikum entdeckt. Direkt gegenüber der Hünenpforte befindet sich die Blätterhöhle. Dort wurden Skelette von Menschen aus dem frühen Mesolithikum und aus der Michelsberger Kultur entdeckt. Obwohl die wissenschaftliche Untersuchung dieser und anderer Höhlen im Bereich der Hünenpforte noch im Gange ist, gilt dieses Gebiet schon jetzt als eine der diesbezüglich wichtigsten Fundregionen in Deutschland und in Europa.
Auf der einen Seite der Pforte fällt das Gelände bis zur Bundesstraße steil ab. Auf der anderen Seite befindet sich eine Ebene, die vor einigen Jahren noch frei begehbar war und die von riesigen Buchen umgeben ist. Dort befinden sich die Wall- und Gebäudereste der Rücklenburg. Diese wurde, wie sich durch archäologische Funde rekonstruieren lässt, im 13. Jahrhundert angelegt und noch im selben Jahrhundert vermutlich zeitgleich mit der benachbarten Raffenburg zerstört. Zwischen der Hünenpforte/Rücklenburg und dem Bergmassiv der Raffenburg befindet sich die Flur Alte Statt. Dort wurden Spuren einer steinzeitlichen Nutzung sowie Reste einer Besiedlung aus dem Hoch- und dem Spätmittelalter entdeckt. Mehr unter Wikipedia.
Hünenpforte, Hagen-Hohenlimburg (WGS 84: 51° 21' 25.67" 7° 33' 11.73")
Eingang zur Kluterthöhle, Ennepetal (WGS 84: 51° 17' 48.23" 7° 21' 20.28") an der Gasstraße 10
Multimedia
Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.
Literaturnachweis
- Renate Schmidt-V., Gustav-Adolf Schmidt, Sagen und Geschichten aus dem Ennepe-Ruhr-Kreis, 2. Aufl. Schwelm 2001, S. 14-16.
Hier finden Sie: Kluterthöhle (51.296731° Breite, 7.355633° Länge)
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