Die Riesen und das Riesenei

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Landschaftspark Mechtenberg

Vor alter Zeit lebten auf dem Mechtenberg bei Wattenscheid, auf dem Horkenstein an der Ruhr und auf dem Tippelsberg bei Eickel großmächtige Riesen. Wenn sie schnarchten, bebte das ganze Land. Sie hackten Brote, so groß wie Küchenschränke. Sie aßen Bohnen und Erbsen mit der Heugabel und gebrauchten Eichenstämme als Wanderstecken. Wenn sie Streit miteinander hatten, warfen sie sich mit schweren Felsbrocken, auch Hünensteine genannt. Man kann sie heute noch im Südpark liegen sehen.

Einmal wollte der Riese vom Mechtenberg dem vom Horkenstein ein Riesenei zum Frühstück hinüberwerfen. Aber dieses Riesenei fiel auf die Höhen an der Ruhr nieder, dort wo heute der Eiberger Wasserturm steht. Es zerbrach, und das Eigelb floss in breiten Bächen bei Dahlhausen in die Ruhr hinab und füllte den ganzen Fluss. Da liefen die Leute mit Töpfen und Pfannen herbei und konnten drei Tage lang Eierkuchen backen. So groß ist das Ei gewesen. Seit jener Zeit aber nannte man die Fluren dort oben einfach Eiberg.

Gregor Heinrichs führt die folgende Variante der Sage an: Der Tippelsberger und der Mechtenberger stritten sehr häufig miteinander. Sie bewarfen sich dann mit schweren Felsbrocken, die sie Kieselsteine nannten und heute noch in der Gegend als Findlinge bekannt sind. Mit dem Riesen aus Linden war meistens Frieden. Als er jedoch eines Tages anfing, die Ruhr zuzuschütten, um sich einen Fischteich anzulegen, gab es Ärger. Er hatte nämlich sein Vorhaben nicht mit den beiden anderen Riesen abgesprochen. Als der Lindener auf ihre Warnungen nicht achtete, stieg dem Mechtenberger der Zorn hoch. Mit schrecklichem Getöse schleuderte er einen Steinbrocken gegen ihn. Da er keinen zweiten griffbereit hatte, nahm der Mechtenberger in seinem Zorn einfach das Riesenei, das gerade seine Riesengans Gickegack gelegt hatte, und das er eigentlich für seinen Pfannkuchen brauchen wollte. Obwohl er in seiner blinden Wut schlecht gezielt hatte, bekam der Lindener Riese einen so großen Schreck, dass er vor lauter Angst das Weite suchte. Es heißt, er habe später in Haltern eine neue Bleibe gefunden. In der Nähe der früheren Zeche »Dahlhauser Tiefbau« kann man heute noch den vom Riesen begonnenen Ruhrdeich erkennen.

Das Riesengänseei war dort aufgeprallt, wo früher zwischen Oberdahlhausen und Höntrop an der Sudholzstraße/Ecke Sandkuhle der Wasserturm stand. Ein Teil des ausgelaufenen Eis ergoss sich Am Hosiepen bergab und wurde schließlich von dem Untereiberger Bach aufgenommen, so dass bis Steele noch die Ufer mit Eigelb überschwemmt waren. Der andere Teil floss in einem dicken Strom den steilen Hang hinab, überschwemmte ganz Dahlhausen, so dass dort die Kühe auf den Wiesen bis zum Bauch im Rührei standen.

Die Leute, die an der Ruhr wohnten, waren zuerst ganz erschrocken, als die gelbe Masse herangeflossen kam. In Werden und Mülheim läuteten die Glocken wie bei einer Hochwasserkatastrophe. Als dann aber ein Mädchen den Finger in den Brei steckte, rief es: »Hm, Ei, lauter Ei!«, da kamen die Leute mit Eimern und Schüsseln angelaufen. Acht Tage lang schöpften sie von Dahlhausen bis Duisburg nichts als Ei aus der Ruhr. In der ganzen Gegend roch es morgens wie abends nach Eierkuchen. Weil der ihnen so gut schmeckte, aßen manche Leute auch zu viel davon, so dass sie Leibschmerzen bekamen und die Apotheker alle Hände voll zu tun hatten. Die Eimasse floss sogar den Rhein hinunter bis nach Holland, wo die Leute bis auf den heutigen Tag gern Eierpfannkuchen essen. Es war nämlich wirklich ein Riesenei!

Anmerkungen

Hünensteine: Gemeint ist wohl der »Ückendorfer Kieseling«, der im »Von Wedelstedt Park« im Süden Gelsenkirchens liegt. Horkenstein: 30m vom Privatweg/Ecke Winzerstr. entfernt, befindet sich ein Fußweg.

Was bedeutet Eiberg? Mancher sagt, der Name sei von Eich(en)berg abgeleitet, andere behaupten den Namen von der germanischen Fruchtbarkeitsgöttin Freya herleiten zu können. Wahrscheinlich läßt sich Ei (-berg) auf das althochdeutsche Wasserwort »auwia« = Aue zurückführen. Auen sind feuchte und häufig sehr fruchtbare Wiesen in Flußniederungen. Auch Wortbestandteile wie -ey (bei Heven-ey) oder -oy lassen sich auf diesen Wortstamm zurückführen. Übersetzt bedeutet Eiberg wohl: Anhöhe im Wiesengrund.

Oberhalb der Böschung, am äußeren Gartenbereich von Winzerstr. 58 in Bochum, lag der Horkenstein ursprünglich. (Hinweis von Walter Gantenberg). Seit 1984 liegt der Horkenstein in Hattingen, nahe der Altstadt, an der Martin-Luther- Straße/Ecke August-Bebel-Straße. Die Sandsteinfelsen gegenüber der Pontonbrücke an der Lewackerstraße sollen Reste des vom Horkensteiner Riesen begonnenen Deichbaues darstellen. Der Wasserturm stand an der Sudholzstraße/Ecke Sandkuhle. Steele und Werden sind heute Stadtteile von Essen. Untereiberger Bach: Eybach. Am Ruhrort fließt der Eybach noch offen. Zeche Vereinigte Dahlhauser Tiefbau (1858-1966) finden wir, wenn wir von Dahlhausen Zentrum kommend, der Lewackerstr. folgen, bis sie nach links den Berg hoch abknickt. Ab dem Knick folgen wir dem ausgewiesenen Fußweg. Dort sind linker Hand noch dier massigen Fundamente der Zeche zu betrachten.

Horkenstein (ehem. Lage) (WGS 84: 51.416633° 7.1596°)

Mechtenberg (WGS 84: 51.479833° 7.08875°)

Tippelsberg (WGS 84: 51.505333° 7.22705°)

Literaturnachweis

  • Hüls, o. J., 35; Heinrichs, 125-127;
  • vgl. BS, 106f., 175


Hier finden Sie: Horkenstein (ehem. Lage), Bochum (51.416633° Breite, 7.1596° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Wattenscheider Sagenbuch.
Essen: Verlag Pomp, 2004
ISBN 3-89355-248-0.



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