Die Hexe von Steinrapen

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

Wechseln zu: Navigation, Suche
Katzen

Seit dem Tage, da die Haardgänger den christlichen Glauben angenommen hatten, war Veleda, die junge, schöne Priesterin verschwunden. Einige Haardleute erzählten, sie sei zu den Brukterern zurückgekehrt, woher sie gekommen war. Aber so war es nicht!

Ängstlich schlich sie durch die verlassenen Täler der Haard. Sogar im Jammertal, das von den Haardbewohnern nicht mehr betreten wurde, hielt sie sich auf und war, so munkelte man, mit dem schwarzen Kaspar im Bunde.

Manchmal war dort ein entsetzliches Geheul zu hören, so dass die Leute sich selbst nicht mehr in die Nähe des Tales trauten. Später wurde erzählt, Veleda spuke polternd auf der Dillenburg. Sicher aber ist, dass sie viel hundert Jahre in Steinrapen hauste und mit schwarzen, funkeläugigen Katzen einen geheimnisvollen Haushalt führte.

Als die Mahlenburg den Deutschordensrittern zufiel, gingen diese mit christlicher Gewalt gegen die Heidin vor und errichteten dort, wo sie die Hexenküche vermuteten, ein steinernes Kreuz. Zischend, aber unsichtbar, flog die geheimnisvolle Hexenküche mit ihrer Brut auseinander, so dass die gottesfürchtigen Ritter bis in die tiefste Seele hinein erschraken. Seit dieser Zeit schlichen in unzählbaren Mengen Katzen um den Ort herum; aus diesem Grund heißt diese Stelle bis auf den heutigen Tag – Katzenkreuz. Von der Hexe war lange Zeit keine Spur mehr zu sehen. Nach vielen Jahren kamen an einem Novemberabend zwei Männer von Ahsen her des Weges. Als sie, die Mahlenburg im Rücken, eben am Katzenkreuz vorbeigehen wollten, sahen sie eine wunderschöne, junge Frau mit feuerrotem wehendem Haar, die schnell vor ihnen den Weg überquerte und leichtfüßig in eine dunkle Tannenschonung entfloh. Aber in der dämmrig-dunklen Schonung blickte sie sich schnell um und rief: »Jürn!« Ihr Ruf klang so wehmütig und schmerzlich, dass es dem Jungen fast das Herz zerbrach. Er griff zitternd nach der Hand seines älteren Bruders und sagte: »Bete für mich!« Danach riss er sich los und folgte sogleich der schönen Unbekannten. Diese aber eilte tiefer und tiefer in den Wald hinein. Immer, wenn sie ihren Blick von dem jungen Mann abwandte, atmete sein Herz erleichtert auf, und er wusste, dass sie ihn ins Verderben zog. Dann versuchte er, sich zusammenzureißen und umzukehren. Aber wenn er glaubte, wieder frei vom Bann der Unholdin zu sein, dann brauchte sich die schöne Frau nur umzuschauen und er musste ihrem schmerzlichen Ruf folgen. Immer wilder wurde die betörende Fremde, immer rasender die Sprünge. In ruheloser Jagd blieb er auf der Spur ihrer fliehenden Füße, durch das Tal und den steilen Berg hinauf. Jürn sah nichts als ihr Haar, das im Herbststurm wie eine feurige Flamme wehte. Aber als er auf der Höhe des Berges erschöpft zusammenbrach, war die Jagd zu Ende. Die wilde Unholdin neigte sich tief zu ihm hernieder. »Schöne Frau«, flüsterte Jürn schmerzlich. Da küsste die schlimme Hexe ihn auf den Mund und brannte sein Herz aus. Mit einem grellen Schrei sprang sie auf und lief ins Tal hinunter. Das rote Haar flackerte auf, der Sturm nahm sie in seinen höllischen Wirbel, und die Hexe war verweht.

Als der Bruder den frommen Haardleuten die Geschichte von Jürn erzählte, erschraken sie bis ins Herz und zeigten sich tief erschüttert. Sie machten sich sofort mit Lampen auf den Weg, um ihn zu suchen. Nur seine alte Mutter blieb mit Angst zurück, da sie gelähmt war und ihr Bett seit Jahren nicht mehr verlassen konnte. Das einzige, womit sie ihrem Sohn zu helfen hoffte, war, dass sie für ihn ständig betete.

Endlich, gegen Morgen, öffnete sich leise die Tür, und Jürn trat ins Zimmer. Nun sollte sich zeigen, ob die Gebete seiner Mutter erhört worden waren und sie in Erfüllung gehen würden. Doch Jürns Gesicht war bleicher als der Tod. Seine Augen waren dunkel und groß, aber ohne Grund; und alles schien leid- und freudlos in ihnen unterzugehen. Er setzte sich auf die Ofenbank und lächelte zum Erbarmen. Als die Mutter ihren Sohn so sah, wusste sie, dass alle Gebete nichts genutzt hatten und ihr Junge von seinem Bann niemals mehr befreit werden würde. Sie konnte nur noch ganz leise »Jürn« hauchen, dann fiel ihr Kopf zurück und sie war tot. Der Junge aber saß auf der Ofenbank und lächelte so, als ob ihn dies alles nichts mehr anginge.

Als die Haardbewohner später zurückkehrten, erschraken sie vor seiner Fremdheit und vor seinem Lächeln, das leer und ohne Sinn war. Sie wagten auch nicht, ihn zu fragen. Dann trugen sie seine Mutter zu Grabe, und Jürn begleitete sie auf diesem Weg. Er war sehr feierlich und ernst. Danach saß er tagtäglich auf der Ofenbank, lächelte und sprach kein Wort mehr. Nach einiger Zeit mussten die Haardleute auch ihn neben seiner Mutter begraben.

Anmerkungen

Die Dillenburg , erbaut 1822, wurde im Dezember 1977 abgerissen. Sie stand in Oer-Erkenschwick-Rapen An der Dillenburg im jetzigen Gewerbegebiet Dillenburg.

Haus Mahlenburg lag in Datteln–Ahsen an der Recklinghäuser Straße 60. Da die Römer einst entlang der Lippe in die Wälder der Germania Magna vordrangen, darf man annehmen, dass sie auch Ahsener Gebiet durchstreiften. Es geht die Mär, dass sie es waren, die erstmalig eine Befestigungsanlage, namentlich einen Vorläuferbau der Mahlenburg, errichteten. Die Mahlenburg in den Wäldern südlich der Lippe ist erstmals 1342 verbrieft. Sie geht zurück auf die Brüder Morrian, genannt Maleman. Unterschiedlichste Schreibungen des Namens durchziehen die Chroniken. Der letzte Bau stammte aus dem Jahre 1617 und wurde 1692 vom Deutschen Ritterorden als Pensionsbereich erworben. Ende des 19. Jahrhunderts stand er im Besitz des Herzogs von Arenberg, war bis zuletzt verpachtet. 1973 wurde die Anlage niedergerissen, erst 11 Jahre später aus Arenbergschem Familienbesitz veräußert. Siehe: Stadtmagazin

(Katzenkreuz) Katenkreuz. Noch einmal Peter Engelkamp: »Der Mahlenburger Weg war vor Zeiten ein wichtiger Handelsweg zwischen der Mahlenburg und Dorsten.« Noch heute erzählt man am Katenkreuz hinter vorgehaltener Hand, es habe in grauer Vorzeit einen unterirdischen Geheimgang zwischen der Burg und einem ganz bestimmten Bauernhof in der Umgebung gegeben. Wozu? Nichts Genaues weiß man nicht... Ein weiteres Gerücht allerdings entbehrt jeder Grundlage. Durch die plattdeutsche Diktion »Kattenkrüs« und das ähnlich klingende Wort für Katze, nämlich »Katt«, ist im Volksmund die Mär entstanden, man habe an dem damals abseits mitten im Wald gelegenen Platz »Katzen gekreuzigt«, also »Katzenkreuze« errichtet. Es gibt allerdings eine uralte Postkarte von Reddemanns Wirtschaft mit Fraktur-Namensaufdruck »Katzenkreuz«. Der korrekte Name war und ist »Katenkreuz«. Siehe: Haus Katenkreuz.

Das Jammertal liegt in Datteln-Ahsen an der Redder Str. 421. Steinrapen liegt am Steinrapener Weg in Oer-Erkenschwick–Rapen.

An der Dillenburg (WGS 84: 51.652657° 7.282283°)

ehem. Standort Haus Mahlenberg (WGS 84: 51.683466° 7.294128°)

Jammertal (WGS 84: 51.687124° 7.27031°)

Steinrapener Weg (WGS 84: 51.640467° 7.281564°)

Literaturnachweis

  • Von Raubrittern und Kobolden, Sagen und Märchen des Ruhrgebietes, Essen 1984, S. 97-100 (Aus dem Beitrag der Klasse 6b des Marie-Curie-Gymnasiums in Recklinghausen.)


Hier finden Sie: An der Dillenburg (51.652657° Breite, 7.282283° Länge)

Diesen Ort mit weiteren Geodiensten anzeigen. Weitere Sagen aus Datteln.



Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


Der Text ist urheberrechtlich geschützt. Nähere Informationen: siehe Impressum.

Ruhr2010Logo
Redaktion