Die übermütige Herrin von Haus Cliff

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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»Dann folgt ... das freundliche Städtchen Hattingen, lebhaft, gewerkthätig, nach dem Fluß (Ruhr) hinab sich drängend ...« Schücking-Freiligrath

Wenige hundert Meter flußabwärts vom Rauendahl entfernt lag Burg Kliff: Einst stand die Herrin von Kliff auf dem Söller der Burg. Soweit ihr Auge reichte, schaute es Burggüter und untertänige Höfe. Den Ruhrfluß zu ihren Füßen, die Gärten und Felder bis hinauf nach Hattingen, die Ruhrwiesen des Steinkamps und der Koppel, das Klifferfeld, den Kleverhof und viele Hattinger Häuser konnte sie ihr eigen nennen. Reiche und überreiche Abgaben flossen der Burg jährlich von den Bauernhöfen zu: Bis zum Martinitag im Herbste rollten die schwerbeladenen Wagen der Hofesleute und des untertänigen Landvolkes mit Roggen, Gerste und Hafer in den großen Wirtschaftshof ein. Die Lieferungen am »blutigen Zehnten«, Schweinen, Gänsen, Hühnern und Eiern, die Geldzahlungen der Hörigen, die Spann-, Hand- und Hofesdienste der Untertanen, nährten den Reichtum des Hauses und verbürgten den Wohlstand für alle Zukunft: da rühmte sich die übermütige Herrin: »Unser Reichtum wird nie versiegen; unsere Macht ist für die Ewigkeit gebaut!« Ihre Begleiterin wies sie auf die Vergänglichkeit alles Irdischen und den Wechsel des launischen Glückes hin. Da zog die Herrin von Kliff den kostbaren Ring vom Finger, warf ihn hinunter in die Ruhr und sprach: »Ebenso wenig, wie dieser Ring wieder nach oben steigt, wird unser Glück zusammenbrechen!« Nach einigen Tagen brachte die Burgköchin den Ring, den sie in dem Magen eines in der Ruhr gefangenen Fisches gefunden hatte. Die Burg aber verarmte seitdem, und die übermütige Herrin soll später in der Hattinger Gegend als Bettlerin gesehen worden sein.

Anmerkungen

Ob die in ihren Grundzügen vielerorts bekannte Sage wohl auf die geschichtlich beglaubigte Persönlichkeit der Dorothea Lowisa Klamor, der Gemahlin des Ferdinand Sigismund von Heiden, Herrn zu Kliff um 1730, zurückzuführen ist? Deren Verschwendungssucht kannte keine Grenzen: für einen Diamantring zahlte sie 2000 Reichstaler und versetzte dafür ein ganzes Gut. Mit Söller wird ein balkonartiger Burganbau bezeichnet. Martinitag ist der 11. November, benannt nach dem heiligen Martin von Tours (316- 397). Um 1666 war Haus Kliff im Besitz von Johann Dietrich von Syberg (siehe Sage 59). Auf einer Klippe, vor Hochwasser und Feinden geschützt, gelegen (daher der Name Haus Kliff oder Cliff), deckte die Burg die Ruhrbrücke von Hattingen nach Baak (Bochum-Sundern). Der übertriebene Luxus und das aufwendige Leben, das die Besitzer mit ihren Frauen nach dem Dreißigjährigen Krieg (1618–1648) bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts führten, endete im Konkurs 1791 und anschließender Zwangsversteigerung. Das Herrenhaus wurde nicht mehr bewohnt, zerfiel und wurde 1860 abgebrochen; die Steine fanden beim Bau der auf dem Gelände befindlichen Häuser Verwendung. Von dem wohl im 13. Jahrhundert erbauten Gebäude zeugen heute nur noch einige, neuerdings freigelegte, Mauern unterhalb der Straße Cliff, am an der Ruhr gelegenen Fußweg in Hattingen. Als Ballade bearbeitete Friedrich von Schiller das Sagenmotiv in: »Der Ring des Polykrates«.

Haus Cliff (WGS 84: 51.402717° 7.171517°)

Literaturnachweis

  • Petras,78f (nach Jahrbuch des Vereins für Heimatpflege im Kreise Hattingen, 1 Jg. 1922, 121); vgl. Sondermann, BS, 93f.


Hier finden Sie: Haus Cliff (51.402717° Breite, 7.171517° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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