Der wilde Hauptmann

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Syburg

Wo ehedem die Sigiburg gestanden hatte, wurde um das Jahr 1100 die Hohensyburg gebaut. Es war die Ritterburg der kaiserlichen Dienstleute, die dem Reichshof Westhofen vorstanden. Nach ihrer Wohnstätte nannten sie sich die Herren von Syberg. Sie waren Reichsritter und hatten die Aufgabe, mit einer Gefolgschaft von Burgleuten das weitläufige Gebiet des Reichshofs zu schützen. Auch die Burgleute bauten ihre Wohnsitze nach Art der Ritter burgähnlich aus. Sie mussten sich aber mit bescheidenen Wasserburgen in der Ebene begnügen. So entstanden die unterhalb der Hohensyburg im Tal liegenden Herrenhäuser Husen, Ruhr, Wandhofen und Steinhausen. Haus Steinhausen ist die älteste Besitzung in Holzen. Noch heute sind die einstmals mit Wasser gefüllten Gräben und Gräften der aus dem 15, Jahrhundert stammenden Wasserburg zu erkennen. Am Turmhaus mit seinen Treppengiebeln ist noch eine Pechnase sichtbar, durch die die Verteidiger der einstigen Burg den Eingang mit kochendem Pech überschütten konnten. Während der endlos langen Kriege im 17. Jahrhundert hat im Haus Steinhausen eine zeitlang ein kaiserlicher Hauptmann mit einem Haufen Soldaten im Quartier gelegen. Dieser Hauptmann, von dem man noch nach mehr als zweihundert Jahren mit Grausen erzählte, soll ein wilder, rücksichtsloser Menschenschinder gewesen sein, der vor keiner Barbarei zurückschreckte. Eines Tages ritt er mit einem Pferdeknecht durch das Wannebachtal. Als sie an einer ausgebrannten einsamen Hütte vorbeikamen, erzählte der Hauptmann so beiläufig, daß er an dieser Stelle vor einigen Tagen einen Mann mit seiner Pistole erschossen habe, Der Knecht fragte beflissen: »Hat der Mann Euch etwa bedroht?« Worauf der wilde Hauptmann nur kurz auflachte. »Mich bedroht? Nein, ich wollte nur meine neue Pistole mal ausprobieren.« Kaum hatte er das erzählt, da stand auf einmal wie aus dem Boden gewachsen ein in Lumpen gekleideter Mensch neben ihnen am Wegrand, und er streckte langsam seine Hand nach ihnen aus.

»Mach, daß du verschwindest, du lästiger Bettler!« schnauzte der Hauptmann ihn an und spuckte nach ihm aus. Doch im nächsten Augenblick ging ein Grinsen über sein Gesicht. »Na warte, Kerl, du sollst wissen, daß ein kaiserlicher Hauptmann geruht hat, mit dir zu reden.« Und er warf ihm ein Geldstück zu. Da sah der Pferdeknecht zu seinem Schrecken, wie das Geldstück durch den Hut fiel, den der Mann in der ausgestreckten Hand hielt. Und er sagte leise: »Herr Hauptmann, das ist ein Geist!« Doch der Offizier lachte ihn aus. »Was du nicht alles siehst. Hast wohl am Abend zu viel gesoffen, wie?« Sie ritten weiter und kamen durch ein Gebiet mit niedrigem Buschwerk. Sie hatten es kaum hinter sich gelassen, als die unheimliche Gestalt von vorhin wieder vor ihnen auftauchte. »Verflucht!« rief der Hauptmann. »Wird denn hier hinter jedem Gebüsch gebettelt?« Er nahm seine Peitsche und schlug nach dem Menschen. Doch es war, als ginge der Schlag durch die Luft. Und wieder stieß der Knecht furchtsam aus: »Das ist kein Mensch, Herr Hauptmann, das ist ein Geist!« »Unsinn«, sagte der Hauptmann nur und ritt unbekümmert weiter. An einer Waldecke stand der Bettler schon wieder. Diesmal erschrak sogar der Hauptmann, und er spürte einen eiskalten Schauder. Aber er riss sich schnell wieder zusammen und schrie: »Diesmal kommst du mir nicht mit heiler Haut davon, du Lump!« Er zog seinen schweren Säbel und schlug mit einem mächtigen Hieb nach ihm. Jedoch, der Hieb ging ins Leere, und der Bettler verschwand in einer dichten dunklen Wolke. Da bäumte sich das Pferd des Hauptmanns vor Entsetzen auf und jagte mit seinem Reiter auf und davon. Der Pferdeknecht ritt zurück zum Haus Steinhausen und rief schnell ein paar Kameraden zusammen. Mit denen ritt er los, um den Hauptmann zu suchen. Sie suchten den ganzen Tag und auch noch die Nacht. Erst im Morgengrauen fanden sie ihn an einem Eichenbaum. Beim jagenden Ritt musste sich sein Kopf in einer Astgabel verfangen haben und das Pferd unter ihm weitergerannt sein. Der wilde Hauptmann hing da im Baum wie vom Henker gehenkt.

Anmerkungen

Haus Steinhausen bestand schon im 14. Jahrhundert. Gräftenreste der teils renovierungsbedürftigen Anlage sind noch vorhanden. Das jetzige Wohngebäude wurde 1577 erbaut und liegt als einziges Anwesen am Steinhauser Weg, der vor Ort nicht ausgeschildert ist. Zum Reichshof Westhofen siehe die geschichtliche Einleitung zu Schwerte. Den Wohnturm des mittelalterlichen Hauses Husen finden Sie an der Syburger Dorfstr. 135; der neue klassizistische Bau von 1830 befindet sich 200 Meter westlich neben der Syburger Dorfstr. 120. Die Gräftenanlage Haus Ruhr liegt in Schwerte-Wandhofen an der Hagener Str. 241. Alle genannten Gebäude sind nur von außen zu besichtigen. Zu Haus Wandhofen siehe Sage 108.

Haus Steinhausen (WGS 84: 51.4375° 7.532033°)

Haus Ruhr (WGS 84: 51.420633° 7.546967°)

Hohensyburg (WGS 84: 51.4199° 7.487333°)

Literaturnachweis

  • Vgl. Gronemann, 192–195


Hier finden Sie: Haus Steinhausen (51.4375° Breite, 7.532033° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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