Der weiße und der schwarze Ewald

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

Wechseln zu: Navigation, Suche
»Ein Spaziergang durch die hohen Buchenwälder bei ... Aplerbeck ist ein Gang durch heilige Hallen...« Fritz Mielert, 1922

In Aplerbeck werden seit Jahrhunderten der Schwarze und der Weiße Ewald verehrt. Die Legende von den beiden Heiligen ist bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben. Mehr als 1200 Jahre waren seit ihrem Wirken vergangen, als man 1981 mitten im Ort ein Denkmal für sie errichtete. Gegen Ende des 7. Jahrhunderts, noch bevor Bonifatius sein Bekehrungswerk begann, kam Willibrord, ein Angelsachse, von England übers Meer, um den Friesen und Sachsen das Christentum zu predigen. Elf Gefährten zogen mit ihm, darunter die beiden Ewalde, die wegen ihrer Haarfarbe der Schwarze und der Weiße Ewald genannt wurden. Von Köln aus, wo sie unter dem königlichen Schutz der Franken standen, drangen die beiden Missionare im Jahr 693 ins Sachsenland vor, etwa dem heutigen Westfalen, um den christlichen Glauben zu verkündigen.

Die Mönche hatten einen schweren Stand, denn die Sachsen trauten den Männer nicht, die ihnen den Gott der Franken bringen wollten. Ohne jeglichen Schutz wanderten die Ewalde durchs Land. Nur das Gastrecht, das den Germanen heilig war und das die Mönche sich erbaten, gewährte ihnen ungefähre Sicherheit. So kamen sie bis zur oberen Emscher. In Aplerbeck wurden sie auf dem Hof des Schulzen gastfreundlich aufgenommen. Dort feierten die beiden Mönche jeden Morgen die Messe, beteten und verkündeten ihre Lehre. Beide waren sie fromm und glaubensfreudig. Aber der schwarzer Ewald war am besten im Evangelium bewandert und ein besonders redegewandter Mann. Sie sangen und beteten ihre Psalmen offen und frei, so dass es jedermann hören und sehen konnte.

Doch die Männer des Dorfes begegneten ihnen vielfach mit Misstrauen, und es entstand Verwirrung unter den Leuten. Fest verwurzelt in ihrem Ahnen – und Götterglauben wurden sie unsicher und ratlos.

Eines Morgens ritt der Schulze die Ardeyhöhen hinauf zu der Drude, der Priesterin in ihren Heiligtum, um sich Rat zu holen, wie er sich gegenüber den Fremden und ihrer Lehre verhalten sollte. Mit heiligem Ernst erinnerte die Drude ihn an den Schwur, den er den Göttern geleistet hatte, und mahnte ihn an die Rache von Thor und Wodan. »Fort mit ihnen, lebend oder tot!« rief die Drude beschwörend. Wir haben unsere Glauben und unsere Götter, wir wollen ihrem Gott nicht!« 

Als der Schulze auf den Hof zurück kam, sah er mehrere Bauern, darunter auch seine Söhne, die drohend die beiden Missionare umstanden. Die Ewalde redeten eifrig auf die zornigen Männer ein, worauf der Schulze ihnen mit den Worten der Drude entgegnete. Darauf schlugen die Bauern hasserfüllt auf die Mönche ein. Der Weiße Ewald sank unter einem Schwertstreich nieder. Dem schwarzen Ewald dagegen gelang es zu fliehen. Dabei geriet er auf dem Hof unter die Frauen, die gerade beim Flachsbrechen waren. Er flehte sie um ihren Schutz an.

Die Frauen stellten sich den Männer in den Weg, um sie vor einem weiteren Mord zu bewahren und damit vor dem Strafgericht ihrer Götter. Doch blindwütig entrissen die Bauern den Frauen die Flachsbraken und erschlugen damit den schwarzen Ewald. Noch bevor er starb, hat er einen Segen über die Frauen auf dem Hof gesprochen, zugleich aber auch einen Fluch, daß der Hof niemals auf männliche Erben kommen sollte.

Die Mörder schafften die Leichen auf einem heimlichen Weg zur Emscher. An beiden Seiten dieses Weges, so wird berichtet, hat über viele Jahre weder Tau noch Regen die Erde benetzt. Die Leichen trieben in der Emscher vorbei an Hörde und Mengede, an Castrop, Horst und Oberhausen, bis in den Rhein. Sie schwammen immer an der Oberfläche und kamen auf wunderbare Weise stromaufwärts nach Kaiserswerth. Dort erschien während der Nacht über dem Wasser ein helles Licht, dessen Strahlen weithin zu sehen waren.

Die beiden Ewalde wurden zunächst in Kaiserswerth beerdig. Später erhielten sie in der Kirche St. Kunibert zu Köln ihre letzte Ruhestätte.

Die Missionare waren tot, und auf dem Aplerbecker Schulzenhof war das vornehmste germanische Recht, die Gastfreundschaft, gebrochen worden. Die Mörder wurden hart bestraft und des Landes verwiesen. Der Hof, auf dem die Bluttat geschah, wurde seitdem »Mortmannshof« genannt. Später hieß er »Märtmannshof«.

Der Fluch des Schwarzen Ewald ist durch alle Jahrhunderte furchtbar in Erfüllung gegangen. Entweder wurden auf dem Hof keine männlichen Erben geboren, oder sie starben früh, oft durch Unfälle. Als im Jahr 1908 der letzte Besitzer den Hof verkaufte und sei einziger Sohn mit dem Erlös ein Geschäft gründen wollte, um so dem Fluch des Hofes zu entgehen, da starb er, bevor er das Geschäft eröffnen konnte. Heute erinnert in Aplerbeck noch die Märtmannstraße an den Hof. Gleich in der Nachbarschaft liegen die Weiße Ewald Str. und die Schwarze Ewald Str.

(Gronemann)

In Aplerbeck gibt es noch das Feld und den Weg (Potthoffs Gründken, Palme), über den die Mörder die Leichen bis zur Emscher schleiften. Jener Weg wurde weder vom Tau noch vom Regen benetzt, und es geschahen dort Wunder an Lahmen, Blinden und Kranken. (Schmidt)

Zu ewigem Gedächnis an diese Tat wurde dem Bauern und seinen Nachkommen als unvergängliche Strafe für die Mordtat auferlegt, dass er eine brennende Lampe immerwährend in Aplerbeck vor den Bildern der heiligen Ewalde unterhalte, auch am 2. und am 3. Oktober am Feste der Märtyrer für Glockengeläut sorge. (Palme)

Anmerkungen

Der heilige Willibrord (658-701) war Bischof von Utrecht in dem heutigen Niederland. Der heilige Bonifatius (675-754) von den heidnischen Friesen in Dokkum in dem heutigen Niederland erschlagen) war Erzbischof von Mainz. Ein Schulze ist der Inhaber oder Besitzer eines Oberhofes, einer Sammelstelle für bäuerliche Abgaben an den Grundherrn. Ein Flachsbraken ist ein Werkzeug zum Brechen von Flachs, aus dem Leinen hergestellt wird. Franken bezeichnet einen germanischen Volksstamm. Ardey ist ein Höhenzug nördlich der Ruhr von Witten (Ennepe-Ruhr-Kreis) bis Fröndenberg (Kreis Unna). Der Märtmannhof lag an der Köln-Berlinerstr. 38. Ein Ewaldi-Denkmal steht am Marktplatz 21, gegenüber dem alten Amtshaus. Die im modernen Stil errichtete, meist verschlossene St. Ewaldi-Kirche neben der Egbertstraße 15 erinnert an die beiden Heiligen und wurde auf »Potthoffs Gründken» errichtet. Das nun verklinkerte Fachwerkhaus des ehemaligen Kotten Potthoff, hinter dem »Potthoffs Gründken» beginnt, liegt an der Ruinenstr. 9. Die heute evangelische und meist verschlossene St. Georgskirche, die älteste Basilika Dortmunds, wurde um 1150 erbaut liegt an der Ruinenstr. 37 / Ecke Schweizer Allee. Hörde und Mengede sind Stadtteile Dortmunds. Castrop gehört zu Castrop-Rauxel (Kreis Recklinghausen). Horst ist ein Stadtteil von Gelsenkirchen. Kaiserswerth gehört zu Düsseldorf. Die sehenswerte jetzige Pfarrkirche St. Kunibert birgt auch heute noch den Ewaldischrein. Sie liegt an der Kunibertsgasse in Köln.

St.Ewaldi-Kirche (WGS 84: 51.492072° 7.556952°)

Weiße-Ewald-Str. (WGS 84: 51.499647° 7.556287°)

Schwarze-Ewald-Str. (WGS 84: 51.496915° 7.556169°)

Literaturnachweis

  • Gronemann, 109-112, 153; Palme, 109-112; Schmidt, 1997, 61f. in Am. verwendete u. weiterführende Lit. : Hans Georg Kirchoff, Der weiße und der schwarze Ewald, in: 1100 Jahre Aplerbeck, Hg. :H. G. Kirchoff, Siegfried Liesenberg, Essen 1998; Grässe, Bd. 1, 667


Hier finden Sie: St.Ewaldi-Kirche (51.492072° Breite, 7.556952° Länge)

Diesen Ort mit weiteren Geodiensten anzeigen. Weitere Sagen aus Dortmund.


Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




Der Text ist urheberrechtlich geschützt. Nähere Informationen: siehe Impressum.

Ruhr2010Logo
Redaktion