Der verwunschene Schatz in Wambel

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Ein Schäfer mit seinen Schafen

Ein Dortmunder Bürger und ein Schäfer gingen einstmals an einem Sommerabend gegen zwölf Uhr in die Wiesen, um nach den Schafen zu sehen. Da erblickten sie eine weiße Gestalt. Der unerschrockene Bürger redete sie an: »Guten Abend, Mamsell (Fräulein, Hausgehilfin, D. S.). Was tut sie denn noch hier?« Da antwortete die Gestalt, jetzt, da die beiden sie angeredet hätten, müßten sie auch ihre Geschichte hören und ihr in allem folgen, sonst sei sie verloren und sie beide mit ihr. Sie habe Geld vergraben, und nun müsse sie so lange auf Erden wandeln, bis sich ein Mensch ihrer erbarme. Bis jetzt aber habe noch keiner den Mut gehabt, sie anzusprechen. Vergebens warte sie schon mehrere Jahrhunderte. Noch habe sie teil an Gott, wie man es ja an ihrer weißen Kleidung sähe. Ihr sei aber gesagt, wenn der erste Mensch, der sie anrede, sie nicht erlösen wolle, so verfalle sie der Hölle und der Mensch mit ihr.

Sie sollten sich also am folgenden Abend genau um dieselbe Stunde zwischen zwölf und ein Uhr wieder hier einfinden und eine Schubkarre mitbringen. Wenn sie Angst hätten, dürften sie so viele Männer mitbringen, wie sie wollten.

Es würde sich ein schwarzer Hund auf die Karre legen. Sobald sie an die Stelle gekommen seien, wo das Geld liege, werde der Hund verschwinden und statt dessen das Geld auf der Karre liegen. In dem Augenblick, wo sich der Hund auf die Karre lege, werde sich um sie herum das ganze Höllenheer erheben und sie mit lautem Getöse am Weitergehen hindern wollen. Sie sollten sich aber gar nicht daran stören, denn es geschähe ihnen nichts. Wenn sie den Hund zu der bestimmten Stelle gebracht hätten, höre das Getöse plötzlich auf. Dann sei sie erlöst und erlange die Seligkeit. Das Geld aber würde ihnen zufallen, und sie würden damit viel Glück haben. Falls sie nicht ihrem Befehl gehorchten - denn jetzt dürfe sie befehlen - werde sie morgen Mitternacht um ein Uhr, sobald der Glockenschlag verhallt sei, mit dem Bürger zur Hölle fahren. In den herzerschütternsten Tönen flehte die Gestalt die Männer an, es doch ja nicht zu vergessen und ihr die Seligkeit zu gönnen. Am nächsten Abend kam der Schäfer zu dem Bürger und sagte: »Komm, Käl, lott us goahn« (``Komm, Kerl lass uns gehen. » D. S.). »Ach watt«, antwortete der andere, »de Mamsell es verrückt, eck goah nit« (``... ich gehe nicht. »).

Gegen ein Uhr erschien die weiße Gestalt am Fenster und rief: »Et es noch Tiet! Et es noch Tiet!« (``Es ist noch Zeit !»). Und rief es zu wiederholten Malen. Sobald die Glocke eins geschlagen hatte, war der Bürger auf der Stelle tot und sah schwarz wie Kohle aus.

Anmerkungen

Der Ursprung von »Schatzsagen« ist wahrscheinlich im germanischen Totenkult zu suchen. Nach der Vorstellung der Germanen hatte ein Verstorbener dieselben Bedürfnisse wie ein Lebender, weshalb seinem Grab Nahrung, Waffen und Schmuck, je nach seiner sozialen Stellung zu Lebzeiten, beigegeben wurde. Der Tote war der Besitzer und Hüter des Grabschatzes und aller anderen Schätze, die er zu Lebzeiten vergraben hatte. Die Gaben konnte der Verstorbene mit ins »Paradies der Germanen« nach Walhalla nehmen und so, standesgemäß versorgt, das ewige Leben genießen. Wollte er auch im Tode Nutznießer dieses Reichtums sein, so war er natürlich gezwungen, diesen vor Schatzsuchern und Grabräubern zu schützen. Zu diesem Zweck erschien er solchen Leuten als furchteinflößender Geist, in Gestalt eines Hundes, einer Schlange, einer Kröte oder eines Pferdes.

In christlicher Zeit wurde der »heidnische Brauch« des Grabbeigebens von der Kirche als Sünde bezeichnet. Wer es dennoch tat, musste dieses Vergehen nach dem Tod büßen: Von nun an wurden Schätze bewachende Geister mit armen, auf Erlösung hoffenden Seelen gleichgesetzt. Im ausgehenden Mittelalter hieß es schließlich: Der Teufel persönlich hütet vergrabene Schätze!

Literaturnachweis

  • Gronemann, 99f. ; in Am. verwendete u. weiterführende Lit. : BS, S. 68




Weitere Sagen aus Dortmund.


Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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