Der ungetreue Münzmeister in Borbeck

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Ständebuch Münzmeister

Als Sophia IV. von Gleichen Fürstäbtissin von Essen war (1459-1489), war ein gewisser Jasper Münzmeister in Borbeck. Sein Beruf war schwer und verantwortungsvoll. Er mußte sich um die Beschaffung des Silbers und des Goldes bemühen, das er für die Herstellung von Münzen benötigte. Dann waren die Münzstempel zu schneiden. War das Silber oder Gold erhitzt, mußte es zu flachen Streifen gereckt werden, aus denen dann runde Plättchen geschnitten wurden. Schließlich kam der schwierigste Teil der Arbeit, wenn das Metallplättchen, »Schrötling« genannt, zwischen zwei Münzstempel gelegt wurde, die der Münzmeister mit kräftigen Hammerschlägen aufeinanderschlug, so daß sich deren Formen in das Metall eingruben und so das Münzbild entstand. Ja, es war eine schwere Arbeit, und Maschinen, die helfen konnten, gab es noch nicht.

Münzmeister Jasper war ein frommer und redlicher Mann, der seine Arbeit jahraus jahrein zuverlässig verrichtete. Seine Münzen hatten immer den vorgeschriebenen Gehalt von Gold oder Silber, und jedermann freute sich über die gelungenen Darstellungen auf den Geldstücken. Sein schönstes Werk war eine Münze, die im weiten Umkreis als »Borbecker Groschen« bekannt war. Auf der einen Seite konnte man das Bildnis des heiligen Petrus sehen. Die Rückseite zierte ein Kreuz, und es war zu lesen:

Grossus Borbec
Benedictu sit nome DNINRI
(Borbecker Groschen
Gepriesen sei der Name unseres Herrn)

Diese Münze mit ihrem frommen Text verdroß den Teufel. So erschien eines Tages in der Werkstatt von Meister Jasper ein vornehmer Mann, dessen rotglühende Augen kaum zu seiner feinen schwarzen Kleidung paßten. Sehr freundlich sprach er den Münzmeister an, wie es denn käme, daß dieser, obwohl er goldene und silberne Münzen herzustellen gewohnt sei, selbst doch immer noch nicht reich geworden sei. Arglos entgegnete Jasper, daß er das edle Metall teuer einkaufen müsse. Da er die Münzen stets in der vorgeschriebenen Reinheit verfertige, sie also mit der richtigen Gold- oder Silbermenge versehe, bleibe ihm oft nur ein geringer Verdienst. Da flüsterte der Fremdling ihm listig ins Ohr: »Hör zu, Meister Jasper, ich will Dir raten, wie Du Dein Elend überwinden kannst. Siehst. Du diesen Klumpenn aus Blei ? Den schenke ich Dir. Zukünftig kannst Du ihn unter Dein Münzmetall mischen. Wenn Du nicht zu viel davon nimmst, wird niemand etwas merken, und Du wirst bald so viel an Gold und Silber für Dich behalten können, daß Du der reichste aller Borbecker Bürger sein wirst. «

Und mit einem boshaften Lächeln verschwand der Fremdling aus der Münzwerkstätte. Als Meister Jasper ihm nachblickte, bemerkte er, daß jener seinen hinkenden Gang nicht verbergen konnte.

Lange Zeit ließ Jasper den Bleiklumpen in einer Ecke seiner Werkstatt liegen. Er wagte nicht, das Münzmetall mit dem unedlen Blei zu mischen, wußte er doch, daß das Herstellen schlechter Münzen verboten und mit schweren Strafen bedroht war.

Doch eines Tages, es war ein bitterkalter Wintertag, und Jasper wußte wieder einmal nicht, woher er das tägliche Brot für sich und seine Kinder nehmen sollte, da wurde die Versuchung übermächtig. Obwohl er ahnte, wer ihm den bösen Rat gegeben hatte, begann Jasper damit, ein wenig Blei in das heiße Silber zu gießen, als er wieder einmal seine Borbecker Groschen prägen wollte. Nachdem das Metall gereckt und die Schrötlinge geschnitten waren, machte er sich daran, die erste Münze zwischen den Münzstempeln abzuschlagen. Als er den ersten Hammerschlag getan hatte, rief plötzlich, obwohl niemand sonst in der Werkstatt war, eine laute Stimme:

»Jasper, Jasper, es ist genug!
Die Münze mit dem Namen des Herrn
entehre nicht durch bösen Betrug!«

Meister Jasper erschrak fürchterlich, als er dies hörte. Da er aber niemanden sah, glaubte er an eine Sinnestäuschung und trieb weiter mit kräftigen Hammerschlägen die Münzstempel auf den Schrötling. Doch wie erstaunt war er, als die Münze nicht entstehen wollte. In seinem ganzen Leben war ihm dies noch niemals widerfahren. Das weiche Metall wollte ihm nicht gehorchen. Wieder und wieder holte er aus und hieb mit wuchtigen Schlägen auf die Stempel ein. Aber trotz aller Mühen blieb der Metallschrötling unberührt. Das Bild des heiligen Petrus kam nicht zum Vorschein. Da schlug Meister Jasper zum letzten Mal gewaltig zu. Seine ganze verzweifelte Kraft legte er in diesen Schlag. Doch wieder blieb sein Mühen vergebens. Stattdessen erzitterten ganz plötzlich die Münzstempel unter seinen Händen . . . und brachen mit schrillem Ton auseinander.

Da erkannte Meister Jasper, daß er niemals mehr seine schönen Groschen würde herstellen können. Verzweifelt warf er das zerstörte Werkzeug hin, und ein böser Fluch wollte sich gerade über seine Lippen drängen, als er begriff, daß er durch ein Wunder davon abgehalten worden war, sich schwer zu versündigen. Und so beschloß er, dem Wink des Schicksals zu folgen. Sein Handwerkszeug samt dem verdorbenen Silber warf er in das Wasser des Schloßgrabens und zog weit fort, um mit seiner Familie ein neues Leben zu beginnen. Seit diesem Tage wurden niemals mehr Münzen in Borbeck geprägt, und mehr als 150 Jahre mußten vergehen, bis sich wieder ein Münzmeister fand, der für die Essener Fürstäbtissinnen Münzen prägen wollte.

Anmerkung

Ein Schrötling ist ein noch ungeprägtes Münzstück. Zu den schönsten geschichtlichen Bauwerken Essens gehört Schloß Borbeck an der Schlosstr. 101-103, dessen Ursprünge in das 14. Jahrhundert zurückreichen. Der Borbecker Schloßpark ist eine Stätte der Erholung. »Münze« ist eine ältere Bezeichnung für »Münzstätte« oder »Münzprägestätte«. Und in der Tat: vor rund fünfhundert Jahren sind in Borbeck Münzen geprägt worden. Zu jener Zeit gab es noch kein Geld, das überall in den deutschen Landen gültig war. Im Gegenteil: jedes kleine Territorium und jede Stadt hatten eigene Münzen. So war es auch in Essen, wo der jeweiligen Fürstäbtissin das Recht zustand, Münzen schlagen zu lassen. Nicht nur der Name der Gaststätte »Münze“ auf Schloss Borbeck, auch eine Sage erinnert an jene Zeiten. (Schulze)

Zum unbedingt sehenswerten ehemaligen Fürstäbtissinnenstift Essen siehe Sage 21.

Schloss Borbeck (WGS 84: 51.4687° 6.942117°)

Literaturnachweis

  • Schulze, 1990, 71-74


Hier finden Sie: Schloss Borbeck (51.4687° Breite, 6.942117° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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