Der Teufel als Lehrhauer

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Zeche Oberhausen

Einmal ist der Teufel Bergmann geworden. Das ist aber schon über 100 Jahre her. Auf der Zeche Königsberg, später Zeche Oberhausen genannt, hat er einen Monat als Lehrhauer gearbeitet, viel Kohle gemacht und viel, viel Geld verdient. Was er aber eigentlich dort vor hatte, das ist ihm nicht gelungen. Er wollte die Seele eines Hauers für sich gewinnen und wurde darum sein Kumpel. Bernd Kölking hatte eine ganz harte Arbeit. Die Kohle war wie Stein und wenn er nach der Schicht todmüde aus dem Schacht aus fuhr, hatte er nicht genug verdient, um die Mäulchen seiner sechs Kinder, die immer hungrig waren, zu stopfen. Nun war auch noch sein Lehrhauer Franz Mika krank geworden. Der Hauer war ganz mutlos und wollte schon seine Abkehr nehmen und sich auf Concordia anlegen lassen. Da war aber gerade der Teufel unerkannt auf der Zeche als Lehrhauer angefangen und Steiger Kuhlkamp schickt ihn als Gehilfen zu unserem verzweifelten Kumpel. Dem wollte der neue Lehrhauer gleich nicht so recht gefallen, denn er hinkte, ließ ständig seine Augen rollen und krächzte mit heiserer Stimme sein »Glückauf«. Wohl oder übel, Kölking musste mit ihm anfahren. Als sie alleine vor Ort waren, sprach der Fremde zu ihm: »Deine Not hat jetzt ein Ende. Du kannst so viel Kohle machen und so viel Geld verdienen, wie du willst. Du musst mir aber bei deiner Seele versprechen, mit keinem Menschen zu reden und den Lohn, den wir verdienen werden, bis zum letzten Pfennig mit mir zu teilen.« Kölking wunderte sich, dass der Fremde so gut über ihn Bescheid wusste. Aber viele Kohlen und viel Geld lockten ihn und er versprach seinem Lehrhauer, was der verlangt hatte. Noch mehr! Der Fremde hatte die Abmachung schon schwarz auf weiß mitgebracht und Bernd Kölking sollte den Vertrag unterschreiben. Weil es aber vor Ort weder Federkiel noch Tinte gab, musste er sich mit der Beilspitze den Finger ritzen und ein wenig Blut unter das Geschriebene tupfen. Das war die Unterschrift.

Als nun die Arbeit beginnen sollte, schickte der Lehrhauer seinen Haurer in die Strecke, indem er sprach: »Mach dich für eine Stunde davon! Sorge, dass niemand herkommt, schau dich beileibe nicht um, sonst wirst du tot niederfallen!« Bernd war ängstlich, aber er wagte nicht zu widersprechen. Er nahm seinen Frosch und schlich davon. Als er nach einer Stunde zurück kam, war so viel Kohle gehauen, wie er sonst in drei Tagen nicht geschafft hatte. Sie beluden Hund um Hund und hatten bis zum Ende der Schicht zu tun. Der Hauer überschlug seinen Lohn und war sehr zufrieden. Das ging nun Tag um Tag in derselben Weise weiter. Kölking dachte bei sich, er würde noch ein reicher Mann werden. Aber die Neugier plagte ihn. Zu gern hätte er gewusst, wie sein Kumpel so viel Kohle in so kurzer Zeit loshacken konnte. Nach einigen Tagen ging er nicht mehr ganz so weit in die Strecke. Da hörte er von fern ein mächtiges Donnern und Poltern, als sollte der ganze Berg zusammenstürzen. Er zitterte vor Angst und wäre am liebsten Hals über Kopf zum Schacht gelaufen, aber er konnte sich nicht von der Stelle rühren. Sich umzuschauen, wagte er nicht, denn er fürchtete um sein Leben. Er ließ seinen Lehrhauer nichts anmerken, doch er machte sich große Sorge und überlegte, wie es einmal enden sollte. Er konnte des Nachts kaum noch schlafen. Immer spukten ihm der Fremde und das viele Geld, dass er verdienen sollte, im Kopf herum. Er überlegte auch, wie er seinem Lehrhauer beim Kohlemachen zuschauen könnte, ohne sich nach ihm umzudrehen. Er fand auch einen Weg. In der vorletzten Schicht des Monats wagte er es. Er musste, wie alle Tage zuvor, ein Stück in die Strecke gehen. Diesmal blieb er aber in der Nähe. Als dann das Donnern und Poltern und Krachen im vollen Gange war, bückte er sich und schaute zwischen seinen gespreizten Beinen hindurch nach dem Kohlestoß. Was er dort sah, war schrecklich. Der Lehrhauer stand ganz und gar im Feuer und riss das Gesicht höhnisch verzerrt, mit glühenden Zangen die Kohle aus dem Stoß. Sein Lachen klang so schauerlich, dass es Kölking eiskalt über den Rücken lief. Der arme Mann musste vor dem entsetzlichen Bild und vor der ungeheuren Glut die Augen schließen. Mühsam richtete er sich auf. Nun wusste er, dass er es mit dem Teufel zu tun hatte und beschloss, am Letzten doch die Abkehr zu nehmen. Er dachte auch an den Vertrag, das Geld bis auf den letzten Pfennig genau zu teilen. Wenn nun ein einzelner Pfennig übrig bliebe? - Dann hätte er seine Seele an den Teufel verspielt. Die letzte Schicht des Monats verlief wie alle anderen vorher. Aber der Hauer wollte nichts mehr sehen und hören. Er dachte nur noch an seine arme Seele und bat Gott um Hilfe. Am Ende der Schicht nahm Kölking sein Beil aus der Gezähkiste und fuhr mit dem Teufel aus. Sie wuschen sich in dem großen Becken in der Waschkaue und gingen dann zum Lohnbüro, um ihr Geld zu holen. Es kam, wie Kölking befürchtet hatte: ein Pfennig musste übrig bleiben. Der Hauer sagte zum Teufel: »Wir wollen hinter den Schacht gehen, wo die Schleifsteine stehen. Ich will noch mein Beil schärfen. Dort können wir auch gleich den Lohn teilen.« Zuerst wurde also das Beil geschliffen. Der Teufel musste den Stein drehen. Bernd Kölking ließ sich Zeit und schliff sein Beil so scharf, wie nie eines gewesen ist, denn er hatte einen Plan. Endlich war auch diese Arbeit getan, und es sollte an das Teilen gehen. Der Teufel lachte hämisch, denn er wusste schon, dass ein Pfennig verbleiben musste. Er glaubte fest, dass er um diesen einen Pfennig des Bergmanns Seele gewinnen würde.

Mit der Pfiffigkeit seines Kumpels hatte er aber nicht gerechnet. Als alles Geld bis auf den einen Pfennig geteilt war, warf Kölking das kleine Geldstück auf einen Stempel, der da lag, hieb einmal kräftig mit seinem scharfen Beil zu und auch der letzte Pfennig war redlich geteilt. Das verdross den Teufel sehr. Maßlose Wut packte ihn. Er schleuderte seine Hälfte des Geldes auf den Zechenplatz, löste sich in stinkenden Schwefeldampf auf und verschwand unter Donnern und Blitzen. Seitdem hat er sich nie wieder mit den Bergknappen eingelassen. Hauer Kölking erholte sich von seinem Schrecken. Er sammelte das Geld zusammen und war so reich wie nie zuvor. Er arbeitete noch viele Jahre auf der Zeche Königsberg. Die Pfennighälften hat er als Andenken aufbewahrt. Mein Großvater hat sie selbst einmal gesehen.

Anmerkungen

Die Zeche Oberhausen war ein Steinkohle-Bergwerk in Oberhausen an der Essener Straße 259 Im Jahr 1850 erwarb die Gutehoffnungshütte umfangreiche Grubenfeldbesitzungen im Bereich der damals selbständigen Gemeinden Osterfeld und Sterkrade. Diese wurden als Gewerkschaft des Steinkohlebergwerkes »Oberhausen« konsolidiert. Im Jahre 1856 wurde mit dem Abteufen der ersten beiden Schächte (genannt »Königsberg« 1 und »Königsberg« 2) südlich der Straße nach Frintrop begonnen. 1859 gingen die beiden Schächte in Betrieb und wurden nach der neugegründeten Gemeinde Oberhausen in Zeche »Oberhausen« umbenannt. Die Anlage erhielt pro Schacht einen Malakow-Turm mit dazwischenliegendem Maschinen- und Kesselhaus. Für die Personenbeförderung wurde 1860 auf Schacht 2 eine Fahrkunst eingerichtet. Die günstige wirtschaftliche Entwicklung der Schachtanlage führte schnell zur Erschließung von Anschlussanlagen. 1873 wurde an der Vestischen Straße in Osterfeld ein dritter Schacht abgeteuft. Die ungewöhnlich günstigen Lagerstättenverhältnisse im Bereich dieses Schachtes führten dazu, dass die Gutehoffnungshütte diesen Schacht als selbständige Zeche Osterfeld fortführte, die 1879 in Betrieb ging.(...)

Während sich die Anschlussbergwerke sehr schnell entwickelten, ergaben sich im Betrieb der Zeche »Oberhausen« zunehmend Schwierigkeiten. 1908 ging Schacht 1 zu Bruch und musste bis 1909 neu abgeteuft werden. 1912 bis 1913 wurde Schacht 2 zur Sicherheit teilverfüllt und unter Sicherheitsaspekten neu abgeteuft. Über ihm wurde ein Strebengerüst als Förderanlage errichtet, während in den Malakow-Turm von Schacht 1 bereits in den 1890er-Jahren ein kleineres Gerüst eingezogen worden war. Die Gutehoffnungshütte AG nahm als Betreibergesellschaft der Zeche im Rahmen der Weltwirtschaftskrise eine Neubewertung der Wirtschaftlichkeit der einzelnen Unternehmen und Abbaubetriebe vor. Aus diesem Grund wurde im Jahre 1931 die Stilllegung der Zeche »Oberhausen« durchgeführt. Nach dem Zweiten Weltkrieg war die Schachtanlage in das Eigentum der Hüttenwerke Oberhausen AG (HOAG) als Nachfolgegesellschaft der Gutehoffnungshütte übergegangen. Die Schächte blieben bis 1960 als Wasserhaltungsschachtanlagen für die verbliebenen Zechen der HOAG in Betrieb. Das Grubenfeld kam an die Zeche Osterfeld.

Das Gelände der Zeche »Oberhausen« 1/2 ist heute noch relativ gut zu erkennen. Die Tor- und Verwaltungsgebäude sind erhalten. Im Bereich der Schächte befinden sich diverse Kleinbetriebe. Aus: Wikipedia

Zeche Oberhausen (WGS 84: 51° 28' 58.12" 6° 53' 11.53")

Literaturnachweis

  • Von Raubrittern und Kobolden, Sagen und Märchen des Ruhrgebietes, Essen 1984, S. 36-39


Hier finden Sie: Zeche Oberhausen (51.482811° Breite, 6.886536° Länge)

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Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


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