Der Städtekrieg mit Mülheim (Ruhrorter Fassung)

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Ruhrschleuse und Ruhrwehr - Duisburg-Ruhrort

Die Mülheimer wollten einst eine Brücke über die Ruhr schlagen, kamen aber nicht zurecht und schickten zu den Ruhrorter Schöffen, sich Rat zu erbitten. Die Ruhrorter sannen auf eigenen Vorteil und gaben den Boten den Bescheid, die Mülheimer sollten ein großes Floß bauen und es in einer Regennacht mitten auf die Ruhr 200 Schritte oberhalb der geplanten Stelle fahren und treiben lassen. Das Floß würde sich von selbst dort stellen und festsetzen, wo die Mülheimer es haben wollten, und könnte dann als Pfeiler benutzt werden. Man befolgte den Ratschlag mit dem Erfolge, daß die Mülheimer ihres Holzes verlustig gingen und die Ruhrorter, die mit Luchsaugen auf das herabtreibende Floß aufpaßten, sich über die Schlauheit der Mülheimer und über den eigenen Vorteil unsäglich freuten. Aber die Mülheimer sannen auf Rache und sandten nach Ruhrort einen als Herold verkleideten Boten, der den Besuch Kaiser Albrechts II. ankünden sollte. Sie wollten sich in Samt und Seide werfen und Ehrengaben und reiche Mahlzeiten an Stelle des Kaisers und seines Gefolges in Empfang nehmen. Der Plan glückte vortrefflich. Als der als Kaiser verkleidete Mülheimer mit falschen Rittern und falschen Kanzlern nach Ruhrort kam, schienen Bürgerschaft und Zünfte alles aufgeboten zu haben, den Tag nach Kräften so festlich wie möglich zu begehen. Triumphbogen waren erbaut, in den Fenstern lagen Teppiche, Kinder streuten Blumen, auf dem Markt schöpften Küfer aus einem Riesenfasse dem Volke Wein in Kannen, so viel es haben wollte, und Gesellen der Metzger drehten wie bei der Krönungsfeier einen Ochsen an einem riesigen Spieße. Die Mülheimer genossen mit schadenfroher Freude die kostspielige Freigebigkeit der Ruhrorter und aßen und zechten in tollster Weise; aber die Pferde und Wagen waren gezäumt und geschirrt, und es hieß Abschied nehmen. Gnädig winkten der Scheinkaiser und seine Gefährten in die Volksmenge, die bis zum Stadttore die Straßen füllte und lachte, jauchzte und schrie. Am Stadttore gab es noch einmal Trompetengeschmetter, Trommelwirbel – dann wollten die Mülheimer, froh über das überstandene Abenteuer, aus der Stadt sprengen. Ermunternde Rufe für die Pferde, Peitschenknallen bei den Wagen – hinaus auf die offenliegende Straße. Da sprangen plötzlich Landsknechte aus Gräben und Verstecken, warfen sich Reitern und Fahrern in die Zügel und rissen die Mülheimer von ihren stolzen Sitzen, aus protzigen Träumen, aus toller Schadenfreude. Der erste Bote der Mülheimer hatte nicht reinen Mund gehalten und seiner Muhme (Tante) von dem geplanten Mummenschanz erzählt. Die Ruhrorter gingen fröhlich darauf ein; denn sie sahen nicht ein, warum sie nicht der ganzen Bevölkerung auf Kosten der Mülheimer einen fröhlichen Festtag bereiten sollten. Die Gefangenen wurden nämlich erst nach Bezahlung sämtlicher Festkosten durch Mülheims Geldbeutel freigegeben.

Anmerkung

König (!) Albrecht II. (1297-1339) wurde 1338 deutscher König.

Literaturnachweis

  • Broermann, 109–112




Weitere Sagen aus Duisburg.

Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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