Der Schwede im Altenessener Hohlweg

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Ostchor der Münsterkirche zu Essen

In dem Hohlweg zwischen Essen und Altenessen, der bis vor kurzer Zeit noch von Gestrüpp und Weiden eingeschlossen war, trieb sich jahrhundertlang ein Gespenst herum. Es war der Geist eines Schwedenführers, der während des Dreißigjährigen Krieges (1618-1648, D. S.) das Gebiet der Stadt Essen und der benachbarten Ortschaften furchtbar verheerte und in der Notwehr von den bedrängten Bauern mit Dreschflegeln erschlagen worden ist.

Wiewohl sein Leib in der fremden Erde längst begraben liegt, konnte seine Seele keine Ruhe finden, weil er nach aller Untat seines Lebens auch noch im Sterben gotteslästerliche Flüche ausgestoßen hat, so furchtbar und so laut, dass der Himmel sich darob verfinsterte und die Glocken der Münsterkirche, die im Angelusläuten begriffen waren, erschrocken innehielten. Seitdem mußte er zur Strafe als Gespenst in vielerlei Gestalt ruhelos durch die Nächte dahinirren. Als Werwolf, Katze oder Hund zeigte er sich immer wieder an derselben Stelle, wo er einst sündig aus dem Leben schied. Die nächtlichen Wanderer hörten ihn dort im Vorübergehen mit Entsetzen heulen, fauchen, bellen, stöhnen und fluchen und getrauten sich nicht, nach ihm umzuschauen, weil sie fürchten mussten, dass er ihnen ein Unheil antat.

Ein Leinenweber aus Altenessen, der einmal in dunkler Morgenfrühe, da weder Stern noch Sonne schien, seinen Karren mit dem selbstgewebten Leinen durch den Hohlweg zum Markte fuhr, hat es so erfahren und erzählt.

Als er sich mitten auf dem Wege befand, eben da, wo das Gebüsch über seinem Kopfe fast zusammenwuchs, und wo der Schwede einst den Tod gefunden hatte, wurde er von einer dumpfen Stimme dreimal angerufen: Hooo! – Hooo! – Hooo! – Statt seine Schritte zu beeilen und den Geisterspruch zu sprechen: »Alle guten Geister loben Gott«, drehte er sich neugierig und verwegen um und erwiderte den Ruf. Im gleichen Augenblick funkelten ihn zwei grüne Augen an, eine unheimliche Last krallte sich auf seinem Rücken fest, ein heißer Atem blies ihm in den Nacken, und Zähne knirschten so dicht hinter ihm, als wollten sie sogleich zupacken. Hooo! – Hooo! – Hooo! –

Den Leineweber überlief es eiseskalt, und er schüttelte sich fieberheiß, die unheimliche Bürde loszuwerden. Es war umsonst; denn das Gespenst umklammerte ihn wie mit eisernen Zangen. Gleich einem gehetzten Tier in Todesnot jagte er mit seinem Karren durch die furchtbare Nacht, dass die Steine auf der Straße hoch aufsprangen und die Vögel verwirrt aus ihren Nestern fuhren. Erst als im nächsten Gehöft das Licht einer Laterne sichtbar wurde und zugleich in der Münsterkirche das erste Morgenläuten anhob, fühlte er deutlich das Gespenst von seinem Rücken herabgleiten. Und ob es im gleichen Augenblick auch verschwunden war, nie wieder vergaß er diese Schreckensfahrt, und alle, die davon hörten, mieden fürderhin bei Nacht den unsicheren Weg, oder wenn sie ihn gehen mußten, gingen sie ihn schweigend und mit stillen Gebet, gleichviel, ob sie angerufen wurden oder nicht.

Erst als in der Nähe die Kohlenzechen und Fabriken errichtet wurden und die Wohnhäuser am Hohlweg sich mehrten und das Gebüsch sich lichtete, verschwand auch das Gespenst, weil es die Menschen nun nicht mehr schrecken konnte.

Anmerkung

Ab 1630 griffen die Schweden unter König Gustav II. Adolf auf der protestantischen Seite der Union in das Kriegsgeschehen ein. Gustav Adolf fiel zwei Jahre später in der Schlacht von Lützen, einer Stadt süd-westlich von Leipzig. Das Stift Essen gehörte zur katholischen Liga.

Zur Münsterkirche bzw. Stift Essen siehe Sage 21. Dreimal am Tag (morgens, mittags, abends) lädt das Läuten der Kirchenglocken die Katholiken ein, inmitten des Alltags innezuhalten und den Angelus (lat. : »Engel des Herrn») zu beten. Dieses Gebet soll an die Liebe Gottes erinnern, der durch Maria seinen Sohn Christus gesandt hat. Der Hohlweg ist unlokalisierbar. (Hinweis erbeten !) Münsterkirche (WGS 84: 51.455949° 7.014057°)

Literaturnachweis

  • Vos, Weinand, 17f. (zuerst veröffentlicht von Franz Ermeling, in: Die Brücke, Monatsschrift des Realgymnasiums in Altenessen, 1930, Nr. 4)


Hier finden Sie: Münsterkirche (51.455949° Breite, 7.014057° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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