Der Ritter von Darl

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Futterhaus - Tenne
»Die (auf Haus Darl liegenden) schweren Lasten waren der Beginn des Fiaskos.« Rudolf Brock, 1960

Die Burg Darl im Kirchspiel Buer schaute trotzig und finster ins Land. Auf ihr hauste der Ritter von Darl, ein verwegener Bursche, dessen wettergebräuntes Gesicht ein rabenschwarzer Bart umrahmte, dessen knochige Faust stets auf dem Schwertknauf lag, dessen kaltes und hartes Auge verriet, dass er Mitleid und Erbarmen nicht kannte. Der Wilde reitet zum Burgtor hinaus, und das grimmige Doggenpaar stürzt vor ihm her. Die Hühnerschar, die auf der Wiese des Kötters Nahrung suchte, und die Enten, die im binsenumwachsenen Kolke (Teich; D. S.) badeten, flogen erschreckt auf, um auf der nahen Tenne Schutz zu suchen. Doch ehe sie diese erreicht, liegen die beiden besten Hennen erwürgt am Boden. Der Bauer, der von der Tenne aus zugesehen, ergreift hastig das Beil, ein Schlag, und einer der Würger bezahlt seine Tat mit dem Leben. Doch im selben Augenblicke hält der gefürchtete Ritter auf schnaubendem Rosse vor dem Bauer. »Das sollst du mir büßen, verfluchter Schelm!«, knirscht er und lockert sein Schwert in der Scheide. Totenbleich sinkt der Kötter in die Knie und fleht händeringend um Christi willen um sein Leben. Steine lassen sich erweichen, doch das Herz des Ritters kennt kein Erbarmen. Ein wohlgezielter Hieb zerschmettert dem Ärmsten das Haupt, sein Blut färbt das grüne Gras blutigrot. Der Ritter sprengt dann, als wäre nichts geschehen, den düstern Burgweg hinan.

Vier Tage später. Es ist der Tag des Herrn, an dem Pflug und Egge ruhen. Die Totenglocke ertönt, und auf dem Friedhofe wird der erschlagene Bauer zur ewigen Ruhe gebettet. Die ganze Gemeinde umsteht das offene Grab. Zur selben Stunde aber sprengt der Ritter von Darl mit seinen Knappen in den dunklen Wald. Sie wollen einem reichen Kaufherrn auflauern und ihn und sein Gut als willkommene Beute in das Burgverlies schleppen. Im dichtesten Gehege springt das Ross des Ritters plötzlich zur Seite und bäumt sich hoch auf; am Wege steht eine bleiche Gestalt mit blutigem Hals und Latz! Der Ritter erkennt den erschlagenen Kötter, und ihm, den sonst keiner schrecken konnte, klappern die Zähne. Dem edlen Ross drückt er die Sporen in die Weichen, dass es wie wild davonspringt und der Knappe kaum folgen kann. Da kreuzt ein großer Bienenschwarm den Weg und setzt sich nieder auf Mann und Ross. Die Pferde rasen dahin in Sturmeseile durch Busch und Dorn. Am Abend kehrt der Knappe heim, blutüberronnen und ohne seinen Herrn. Die Dienerschaft begibt sich sofort auf die Suche, und bald erfasst Grausen die Sucher: Der Ritter von Darl hängt entseelt am Ast, seine Haare sind fest um den Wipfel verknüpft. In grauer, sternloser Nacht trug man den Ritter heimwärts. Nun traf ein Unglücksschlag nach dem andern das stolze Haus, und ehe ein volles Jahrhundert entschwunden war, zog die letzte Burgfrau mit ihren Kindern als Bettlerin ins Land hinaus. Den Eschenbaum, woran der Ritter gehangen, zeigten die Bauern noch lange. Doch jetzt kennt man die Stelle, wo er gestanden, nicht mehr.

Eine andere Fassung dieser Sage lautet: Eines Tages rief der kühne Dankwart von Darl seine Gesellen zur Jagd. Sein Diener bat ihn inständig, davon abzulassen; denn zum neunten Male jährte sich der Tag, seitdem er den armen Bauern erschlagen und dieser ihm sterbend geflucht habe. Jahr um Jahr hat Ritter Dankwart an diesem Tag durch Unglück einen seiner sieben Söhne verloren oder ist von anderen schweren Unfällen betroffen worden. Der wilde Jäger hört nicht auf die Mahnung des treuen Dieners und stürmt zur Jagd. Da streckt ihm plötzlich am Waldweg ein Bettler die bittende Hand entgegen. »Da, deinen Bettelsold!«, ruft der Ritter und wirft ihm ein Geldstück in den Hut. Das Geld durchbrennt aber den Hut, fällt zischend auf die Erde; riesengroß wächst gleichzeitig der Bettler empor und verflucht den Mörder. Der Begleiter des Ritters wird von einem plötzlich niederfahrenden Blitz und Donner betäubt. Als er wieder zu sich kommt, sieht er die Leiche Dankwarts zwischen zwei sich gabelnden Ästen hängen. Das Pferd war unter ihm weggerannt. Diese Unglücksstelle in der Nähe des Emscherbruchs heißt noch heute »Im Hangen«.

Anmerkung

Die Herrn von Darl, 1362 erstmals urkundlich erwähnt, belagerten 1617 erfolglos Haus Balken. Finanziell angeschlagen, mußten sie 1657 Haus Darl an Ludolf von Boenen auf Haus Berge verkaufen, wohnten aber weiterhin auf dem Rittersitz. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts versuchte ein verarmter Herr von Darl, noch immer als Besitzer aufzutreten. Es kam zu Schwierigkeiten, da dieser nach Gutdünken bei den Bauern der Nachbarschaft Holz fällte und nach Belieben in den umliegenden Wäldern auf die Jagd ging. Der vormalige Herr soll getobt haben, als der Gerichtsvollzieher erschien, um ihn vor die Tür zu setzen. Man habe ihm buchstäblich das Haus über den Kopf abbrechen müssen. Möglicherweise hat der zweifelhafte Lebenswandel dieses letzten Herrn von Darl auf Haus Darl zum Entstehen der Sage beigetragen. Nicht unerwähnt bleiben soll, dass angeblich ein Ritter von Darl bei einem Ausritt in einen Forst umkam. Sein Kopf habe sich, nachdem sein Pferd gescheut hatte, in einen niedrigen, gegabelten Ast verfangen.

Das wasserumwehrte Haus Darl lag nördlich der Emscher, der Grenze des alten Amtes Wattenscheid, in (Gelsenkirchen-) Buer-Erle an der Darler Heide 65-67 (gegenüber dem Seniorenwohnheim Haus Darl). Eine Tenne ist ein großer, mit Erntewagen befahrbarer Raum in Scheunen, der auch zum Dreschen benutzt wurde. »Im Hangen“ nicht lokalisierbar (Hinweis erbeten !).

Haus Darl (WGS 84: 51.554633° 7.084533°)

Literaturnachweis

  • W. Uhlmann-Bixterheide, Sagenbüchlein des Hellwegs, Frankfurt 1924, Nr. 16 (nach Bette und Fleitmann, Heimatkunde des Vestes Recklinghausen, 1921, S. 145-147); vgl. WS, Nr. 71; historischer Hintergrund: vgl. Kollmann, 65f. dort weitere Literaturangaben; Rudolf Brock, Haus Darl in: Griese, 105-109; Th. van Kell in: Zeitschrift f. Orts-und Heimatkunde im Veste und Kreis Recklinghausen, R’hausen 1891, S. 119-123)


Hier finden Sie: Haus Darl (51.554633° Breite, 7.084533° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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