Der Poltergeist (Ein Kind erlebt einen bösen Spuk)

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Karl Schmidthaus/ Bochum-Laer: Die folgende Geschichte aus einer benachbarten Großstadt ereignete sich kurz nach dem Kriege. Berichtet wurde sie mir von einem Manne, der zu der Zeit das Amt des Pfarrers versah. Eines Tages wurde ihm berichtet, dass es bei einer bestimmten Familie »nicht mit rechten Dingen« zugehe. Er ging hin und man erzählte ihm, dass das jüngste Kind – ein sehr sensibles Mädchen – seit einigen Tagen, wenn es abends ins Bett gebracht wurde, nach kurzer Zeit zu schreien anfange, und auf Befragen angäbe, gekniffen, gestoßen und geschlagen zu werden. Tatsächlich zeigten sich am Körper des Mädchens die typischen Merkmale solcher Misshandlungen.

Der Mann wollte sich selbst davon überzeugen und ging am Abend noch einmal hin. Da erlebte er, dass das Kind – kaum, dass es im Bett lag – wieder anfing zu schreien, und tatsächlich zeigten sich neue Misshandlungsmerkmale. Dann gab das Mädchen plötzlich an, man habe es ins Gesicht geschlagen – und tatsächlich sah man auf seiner linken Backe deutlich die roten Umrisse einer Hand abgezeichnet. Befragt, wer ihm das zufüge, antwortete es nur kläglich: »Ich weiß es nicht!«

Am nächsten Abend ging der Mann früher dorthin und kam gerade zum Abendbrot zurecht. Nach dem Tischgebet griff man zum Löffel, um die Suppe zu essen. Als das Kind zufassen wollte, flog der Löffel wie von einer Schnur gezogen quer durch das Zimmer und blieb in einer Ecke derselben liegen. Der Teller, mit Milchsuppe gefüllt, flog ohne ersichtliche Ursache in hohem Bogen ebenfalls in das Zimmer und zerbrach auf dem Fußboden. Als die Mutter die Scherben aufheben wollte, floh sie entsetzt, denn aus der guten Milchsuppe war eine übelriechende, braune Brühe geworden.

Der Mann beschloss nun, aufgrund seines seelsorgerischen Amtes in dem Spukhause eine Art Gottesdienst abzuhalten und in dessen Verlauf der Familie das Abendmahl auszuteilen. Er tat es am nächsten Abend, und da zeigte sich der Spuk in seiner gräßlichsten Form: Fast sämtliche im Zimmer befindlichen Gegenstände flogen durch dasselbe und übelriechender Kot lag in allen vier Ecken. Das Kind schrie mehrmals recht laut und es bildeten sich bei ihm neue Flecken. Nach Beendigung der Abendmahlszeremonie war plötzlich alles vorbei und der Spuk zeigte sich nicht mehr wieder. Nur die Mutter stellte fest, dass alle im Hause befindlichen Lebensmittel verdorben und ungenießbar waren. Das Mädchen aber erholte sich von dem Erlebnis nicht mehr und starb wenige Jahre später. Mein Informant beteuerte mir seinerzeit, als er mir diese Geschichte erzählte, ausdrücklich, dass sie sich so zugetragen habe.

Literaturnachweis

  • Schmidthaus, Nr. 1654, wohl 1961, S. 33




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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




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