Der Hexentanzplatz

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Walpurgisfeier auf dem Brocken 1932

In der Bauerschaft Surresse, südöstlich von Buer, erzählten sich ehemals die Leute, daß in der Walpurgisnacht die Hexen unter einem großen Baum auf Schwanen Wiese tanzten. In der Mitternachtsstunde war hier ein Springen, Stampfen und Geschrei zu hören Der Teufel stand im Kreis tanzender Hexen und stieß mit der Teufelsgeige den Takt dazu. Diese Geschichte erzählte man sich auf den umliegenden Höfen, wenn man abends am Herdfeuer zusammensaß. Auf dem Hof Lindgen war ein Knecht, der unbedingt sehen wollte, ob das Gerede vom Hexentanzplatz stimmte. Alle rieten ihm ab, Zeuge des mitternächtlichen Treibens zu werden, Er blieb aber bei seiner Absicht. Eine Magd schlug ihm vor, die Jackentaschen mit Salz zu füllen, damit er bei einer Entdeckung den Hexen und Satan Salz in die Augen streuen könnte.

Am Vorabend von Walburgis schritt der Knecht zur Tat. Er ging trüb genug zur Wiese »in der Gallwie«, kletterte auf den Baum und ließ sich auf einer Astgabel nieder. Den Platz hatte er sich schon vorher bei heimlichen Besichtigungen ausgesucht. Lange mußte er warten, bis die Mitternachtsstunde kam. Die Luft hatte sich abgekühlt, und er wurde steif auf seinem unbequemen Sitz.

Da schlug es Mitternacht von den umliegenden Kirchtürmen in Buer, Westerholt und Herten. Kaum waren die Schläge der Turmuhren in der Nacht verklungen, stellten sich die Hexen ein. Sie lehnten ihre Besen an den Baumstamm und begannen mit dem Tanz. Als der Teufel kam, wurde er mit Jubel begrüßt. Er war der Tanzmeister und gab den Takt mit dem Stab der Teufelsgeige an.

Inzwischen war ein kühler Wind aufgekommen, den die Tanzenden als angenehm empfanden; der Beobachter oben im Baum aber fror. Er spürte, daß er niesen mußte, versuchte aber, es zu unterdrücken. Das gelang ihm nicht, und als ein lautes »Hatschi!« erklang blieben plötzlich alle Hexen stehen und starrten nach oben. Auch der Teufel faßte den jungen Mann ins Auge. Ein furchtbares Schreien und Kreischen erscholl. Es löste seine Starre, die nach dem Schrecken eingetreten war. Der Knecht griff in seine Taschen und warf Salz herunter. Ein Geheul stieg auf, und schon versuchten einige Hexen, den Stamm zu erklimmen.

In diesem Moment kam die Rettung! Von St. Urbanus in Buer, St. Martinus in Westerholt und St. Antonius in Herten schlug es ein Uhr. Schreien, Wirbel, Entsetzen herrschten unter dem Baum. Im Nu war der Spuk vorbei. Es dauert einige Zeit, bis der Knecht in der Lage war hinunterzusteigen. Nie wieder würde er einen Hexentanzplatz betreten, das schwor er sich!

Anmerkung

Hexentanzplätze, Treffpunkte der Hexen in der Walpurgisnacht, in der Nacht zum 1. Mai gab es nicht nur auf dem Brocken, dem höchsten Berg im Harz (l142 m), der auch Blocksberg genannt wurde. Diese volkstümliche Bezeichnung bedeutete »Berg mit feuchter Wiese, mit Moor«. Solche Plätze in Wald-, Heide- und Moorgebieten hatten vermutlich eine alte heidnische Tradition. . Aber auch an Wegkreuzen und Richtstätten lagen die Tanzplätze der Hexen. Die letzteren galten allgemein als schaurige Orte, die von den Bewohnern gemieden wurden. In Recklinghausen gab es an den Grenzen der städtischen Feldmark solche Richtplätze (Feldmark bezeichnet die Fläche sämtlicher einer Gemeinde zugehöriger Äcker, Wälder etc.). Sie lagen zum Beispiel Am Segensberg in Recklinghausen-Hochlar. Die Gallwie an der Gallwiestr. in Gelsenkirchen-Erle war eine sumpfige Wiese am Zusammenfluss zweier Bäche.

Die heilige Walburga, Äbtissin (+ 779), aus England stammend, hat nichts mit Hexen und ihren Tänzen zu tun. Ihr Todestag und zugleich ihr Namensfest ist der 1. Mai. Die obengenannte Walpurgisnacht ist die Nacht zum 1. Mai – die Mainacht. Diese Nacht war vermutlich ehemals die Zeit für Vegetationsriten = feierliche Zeremonien bei einem vorchristlichen Frühlingsfest, bei dem man um Wachstum und Gedeihen der Feldfrüchte bat. Das junge Christentum hat solche Riten aufgefangen, indem es Gebete, Weihen, Gottesdienste und Prozessionen mit der gleichen Intention schuf, aber in christliche Formen kleidete.

Hof Lindgen, seit 1947 Hof Drießen wurde schon 1472 beurkundet und war vormals dem Haus Leithe in Gelsenkirchen-Erle, Middelicherstr. 72 abgabepflichtig. Der heute noch bewirtschaftete Hof liegt am Osterkampsweg 31 und weist keine historische Bausubstanz mehr auf. Die 1893 im neu-gotischen Stil errichtete St. Urbanus-Kirche liegt in Gelsenkirchen-Buer an der Marienstr. , an der Stelle ihres Vorgängerbaues. Die schon 1310 beurkundete und im gotischen Stil errichtete alte St. Martinus-Kirche befindet sich in Herten-Westerholt an der Freiheit. Interessant ist ihr separat stehender, efeuüberwucherter und zur Hälfte abgebrochener Bruchsteinkirchturm. Das Gebäude ist nur von außen zu betrachten und beherbergt die Grabstätten der Grafen von Westerholt. Die 1884 im neu-gotischen Stil errichtete St. Antonius-Kirche liegt in Herten an der Antoniusstr. Die Urbanus- und Antoniuskirche hatten ältere Vorgängerbauten, sind meist geöffnet und beherbergen katholische Gemeinden. An die ehemalige Bauerschaft Surresse erinnert die Surressestr. in Gelsenkirchen.

Surressestr. (WGS 84: 51.571265° 7.084996°) Hof Lindgen (WGS 84: 51.579967° 7.094617°) St. Urbanus (WGS 84: 51.580483° 7.051167°) St.Martinus (WGS 84: 51.598209° 7.090244°) St.Antonius (WGS 84: 51.593136° 7.13812°)

Literaturnachweis

  • Kollmann, 74


Hier finden Sie: Hof Lindgen (51.579967° Breite, 7.094617° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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