Der Drachenkampf im Hattinger Stadtwappen

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Wappen der Stadt Hattingen

Die Überwindung dieses furchteinflößenden Ungeheuers ziert seit etwa 1397, historisch aber sicher belegt seit 1479 das Hattinger Stadtwappen. Zur Strecke gebracht wird das Untier allerdings nicht mit dem berühmten Schwert Balmunk, sondern mit einer schlichten Lanze. Auf dem Wappenbild kämpft der Held auch nicht »zu Fuß«, sondern auf einem Pferde reitend gegen den Drachen. Schauplatz dieses legendären Streites ist letztlich nicht Hattingen im schönen Westfalenland, sondern Beirut im heutigen Libanon. Kurz: Hattingens Stadtsiegel ziert nicht der Nibelunge Siegfried, sondern der heilige Georg. Der heilige Georg gehört zu den vierzehn Nothelfern. Sein Namenstag ist der 23. April. Bei den Griechen wurde er »Erzmärtyrer« genannt und im christlichen Altertum und im Mittelalter von allen Blutzeugen am meisten verehrt. Er gilt als das heroische Vorbild für alle Stände; viele Wunder werden seiner Fürbitte zugeschrie­ben. Mag auch das Geschichtliche über ihn umstritten sein, so ist er doch ein Symbol christlicher Tapferkeit geworden. Als stolzer Ritter hoch zu Ross einen Drachen tötend, so kennt jeder seine bildliche Darstellung. Sein Pferd ist deshalb braun, weil sein Fest in die Saatzeit fällt, zum Unterschied vom heiligen Martin (11. November), der auf weißem Pferd erscheint, weil sein Fest zu Beginn der Winterzeit gefeiert wird. Georg wurde zum Bannerträger der Kreuzfahrer, zum Nationalheiligen der Engländer; Georgs­ritterorden wurden gegründet, deren Patron er ist, die katholischen Pfadfinder stehen unter seinem Zeichen. Wenn man Historisches von Legendärem trennt, so kann wohl angenommen werden, dass der hl. Georg unter dem römischen Kaiser Diokletian ein furcht­bares und in seiner grausamen Vielfalt ungeheuerliches Martyrium durchge­standen hat. Ebenso ist über ihn histo­risch bekannt, dass er aus Kappadozien (heutige Osttürkei) stammt und ein höherer römischer Offizier unter Diokletian (Regierungszeit: 284–305) gewesen ist. Den Märtyrertod erlitt er angeblich am 23. April 303 im heutigen Lod (vormals Lydda) in Zentralisrael. Georg soll um das Jahr 280 geboren sein und schon in jungen Jahren das Waffenhandwerk erwählt haben. Er begann also mit dem natürlichen Heldentum, um zum übernatürlichen zu gelangen. Sehr bald erhielt er den hohen Rang eines Obersten und hatte als Tribun jederzeit Zutritt zum Kaiser, der seine große Tapferkeit schätzte. Als die Christenverfolgungen erneut einsetzten, machte der kühne Jüngling dem Kaiser Vorwürfe. Dieser aber sagte: »Junger Mann, denke an deine Zukunft!« Als Georg ihm entgegnen wollte, ergrimmte der Kaiser und gab den Wachen den Befehl, den jungen Offizier in Ketten zu legen. Trotzdem Georg unend­liche Qualen zu erdulden hatte, blieb er seinem Glauben an Christus treu, und der erzürnte Herrscher sah ein, dass er ihn nicht zu überwinden vermochte. Je mehr man ihn folterte, desto getroster wurde der Held, seine Wunden heilten auf wunderbare Weise, weil Gott ihn in der Nacht immer wieder stärkte. Da die üblichen Martern nicht ausreichten, musste man neue erfinden. Georg erhielt den Namen »der große Märtyrer«, Megalomartyr, denn er erlitt tausend Tode nach­einander. Bei den Griechen gilt er als Soldatenheiliger. Die historische Existenz des hl. Georgs ist umstritten.

Die berühmteste Legende über den hl. Georg als Drachentöter hat Ernest Hello uns erzält: Es war in der Umgebung bei Beirut; in einem See hauste ein ungeheurer Drache und machte Wasser und Land unsicher. Manchmal kam er bis vor die Tore der Stadt, wo er die Luft verpestete. Man beschloss, ihm zwei Schafe täglich zum Opfer zu bringen. Aber bald gingen die Schafe aus. Man befragte das Orakel. Die Antwort lautete, man müsse den Drachen Menschenopfer bringen und die, die dem Tode geweiht würden, durch das Los bestimmen … Eines Tages fiel in Beirut das Los auf Margarete, die Tochter des Königs. Der König verweigerte seine Tochter, aber das Volk war aufrührerisch und drohte, das Schloss in Brand zu stecken. Der König gab nach: er lieferte seine Tochter aus mit Festkleidern geschmückt. Man führte Margarete zu der Stätte, an der das Ungeheuer sich ihrer bemächtigen würde. Sie lehnte sich in Tränen zerfließend, an einen Felsen. Aber siehe, am Felsen vorüber kommt der hl. Georg des Weges. Er sieht die weinen­de Jungfrau, tritt herzu und fragt sie nach dem Grund ihres Kummers. Sie erzählt ihm alles. Der heilige Held bleibt ihr zur Seite. Plötzlich kocht das Wasser auf: Der Drache windet sich heraus, teilt die Wogen, schauerliches Zischen erfüllt die Luft, stinkende Gerüche vergiften sie. Das junge Mädchen stößt Schreie des Schreckens aus. »Fürchte dich nicht«, sagt der hl. Georg, steigt auf sein Pferd, befiehlt sich Gott, stürzt sich auf das Ungeheuer, bringt ihm einen tiefen Stich mit der Lanze bei und zwingt es zu Füßen. »Jetzt«, so sagt Georg zu dem jungen Mädchen, »nimm deinen Gürtel und lege ihn dem Tier um den Hals!« Und sie führte das Ungeheuer in die Stadt, wo das versammelte Volk in Freudengeschrei und Dankesrufe ausbrach. Und Georg sprach zum Volke, wenn es an Gott glauben wolle, so werde er das Ungeheuer vollends töten. Da empfing der König die Taufe, und zwanzigtausend Menschen mit ihm. Der König wollte Georg mit Ehren überhäufen und seine Schätze mit ihm teilen. Aber Georg ließ alles an die Armen verteilen, was man ihm geben wollte, umarmte den König, empfahl ihm alle Unglücklichen und kehrte in sein Land zurück.

Literaturnachweis

  • Melchers, Erna & Hans: Das große Buch der Heiligen, 10. Aufl., München 1988, 244-246




Weitere Sagen aus Hattingen.




Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Hattinger Sagenbuch.
Essen: Verlag Pomp, 2007
ISBN 978-3893552542.



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