Der Bopp von Broich

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Burg Broich - Schlosshof

Als im Siebenjährigen Krieg die Völker Europas gegen Friedrich (II., der Große, D.S.) von Preußen marschierten, der ihnen wenig erschien wie ein Käferlein, das man vom Blatt pustet, und der für uns groß ist wie unser Heldenstolz, war das Ruhrtal eine vielbeschrittene Gasse für fremde Heerhaufen und verlaufenes Gesindel, das den »Feldzug« benutzte als Decke für seine Raubgier. Das wogte wie Ebbe und Flut durchs Ruhrtal und zurück. Von Westen stieß der Wille des landgierigen französischen Herrschers Menschenmassen hindurch. Von Osten trieb Friedrichs Feldherrnmacht dieselben Scharen geschlagen, wund und geschunden durch die gleiche Gasse wieder zu ihrem Herrn.

Hinterher sausten dann preußische Freikorps mit ihren Bluthunden. Alles Kriegsvolk, woher es auch immer kam, brachte Bedrängnis und Teuerung über den Ruhrgau und leckte das Land aus wie der Hund die fette Schüssel. Da saß auf Schloß Broich der Amtmann Bopp. Er war einer von den Amtleuten, die nach oben hin katzbuckeln im Eifer für die Betreibung der Pächterzinsen und Hufengelder, die nach unten hin aber rücksichtslos Rechte und Herzen zertreten. Kannst du ihn dir vorstellen, diesen festen Herrn Bopp? Sein stattlicher Leibesumfang kündete, was sein Gott war. Seine spitzen Finger, die sich in der Ruhe nach innen krümmten, deuteten an, wie sehr er fremdes Gut begehrte. Sein Gesicht mit den verkniffenen Lippen, der Hakennase und den boshaft leuchtenden Schwarzaugen gab Zeugnis von seinem mitleidlosen und herrischen Sinn. Da nun die französischen Freikompanien, die Fischer'schen Reiter, die Turpin'schen Husaren, die Camborth'schen und Konflan'schen Streiftruppen auf Schloß Broich sich einnisteten, fanden sie beim Amtmanne Bopp einen gesinnungsgleichen Nesthalter. Er wies ihnen aus den herrschaftlichen Güterregistern die fetten und die mageren Bürger und Bauern nach, wo immer nur etwas zu holen war. Er ließ in den herrschaftlichen Scheunen und Sälen von allen Hintersassen und freien Bauern der Herrschaft Kornfrucht, Stroh und Heu aufspeichern, dass die Balken krachten. Das Korn schlug er mit großem Gewinn an die französischen Herren um. Die Broicher Bauern konnten mit tauben Geldbeuteln und leeren Wagen wieder heimziehen. Ja, was noch schlimmer war, der Amtmann Bopp zog alles gute und vollwertige Geld ein und gab dafür in Massen Silbergeld aus, das mehr als zur Hälfte mit Kupfer versetzt war. Darum wimmelte es oft in seinem Zimmer von Marketendern und Entrepreneurs, die ihm zu diesen Schiebergeschäften der »Heckenmünzen, Polacken- und Lügentalern« die Bahn bereiteten. Der freie Bauer und der eigene Mann im Bannkreis Broich war weder Tag noch Nacht sicher, dass nicht einer von Bopps Dienern erschien und ihn mit harten Worten und bündigem Befehl von Tisch oder Bett zu schweren Fuhren und Arbeitsleistungen rief.

Da besäten die Schweißtropfen der unschuldigen Ruhrtaler die alten oder neuen Wege, die unter ihren Schaufeln hergerichtet wurden. Da trank die blaue Sommerluft so manchen bitteren und verzweifelten Blick der Alten, die der schweren Arbeit entwöhnt waren und sie doch leisten mussten. Da flammten stille Flüche und Verwünschungen der Geknechteten zum Himmel empor: »Fluch ihm, der im Dienste der Menschen die eigenen Volksgenossen ausbeutet und knechtet, als wären es Lasttiere und nicht Schutzbefohlene!« Sieben lange Jahre würgte der Krieg das arme Volk. Sieben lange Jahre tat der Amtmann Bopp den Feinden und der Not Helferdienste. Sieben lange Jahre schwoll die Flut von Abneigung und Hass um den Amtmann, der seines Volkes Schinder war. Als dann der Friede mit den Sommervögeln des Jahres 1763 unhörbar ins Land gezogen kam, raffte die neue Zeit den fluchbeladenen Diener von Schloß Broich hinweg. Man weiß nicht, welches Todes der Amtmann Bopp gestorben ist. Aber es ging ein Aufatmen durch das Ruhrtal, als er dahin war. Als seine Leiche vom Schloß hinunter zur Kirche an der Delle getragen wurde, flog ein Rabenschwarm mit schauerlichem Gekrächze hinter dem Sarge her. Wie der Geistliche den Sarg einsegnete, setzte sich ein großer Rabe auf das Kopfende des Sarges und pickte an das schwarze Holz, als wenn er hätte sagen wollen: »Der ist mein! Der ist mein!« (Im Volksmunde folgte ihm der Fluch über das Grab hinaus, indem ein schwarzer Rabe auf seinem Sarge gesessen und angedeutet haben soll, dass ihn der Teufel geholt habe. Bahlmann) Und selbst heute noch, wenn im Dezember der eisige Wind um die Hütten und Häuser heult, als wenn eine arme Seele aufschreie in Gewissenspein, dann sagen wohl die Mülheimer Mütter zu ihren Kindern: »Seid still, Kinder, der Bopp geht um!« 

Anmerkungen

Der 3. Schlesische Krieg (1756–1763), in dem Preußen mit viel Glück siegreich gegen Österreich um Schlesien (1945 an Polen gefallen) fochte, wurde auch »Siebenjähriger Krieg« genannt. Marketender sind Soldaten begleitende Händler. Als Entrepeneurs wurden selbständige Kleinunternehmer bezeichnet. Friedrich stand infolge des Krieges vor dem Staatsbankrott. Er ließ deswegen die englischen Hilfsgelder in Höhe von 4 Millionen Talern in 11 Millionen zu leichten Talern umprägen. Man schimpfte über das Neugeld, die »Blechlappen« oder auch »Heckenmünzen« genannt wurden und von den berüchtigten Entrepreneurs und Marketendern vertrieben wurden. »An der Delle« lag im Bereich der heutigen Delle. In der Nähe steht die meist geschlossene evangelische Petrikirche am Pastor Barnstein Platz. Ein Freikorp ist eine Freiwilligentruppe. Hufengelder werden Abgaben eines Bauernhofes an den Grundherrn genannt.

Burg Broich (WGS 84: 51.427167° 6.871633°)

Petrikirche (WGS 84: 51.426667° 6.8831°)

Multimedia

Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.



Literaturnachweis

  • Broermann, 129 (B. bringt häufig Anmerkungen im Anhang.); Bahlmann, 190 (nach H. Richter, Kurze Chronik der evang.-luth. Gemeinde zu Mülheim a. d. Ruhr, Mülheim 1882, 65)


Hier finden Sie: Burg Broich (51.427167° Breite, 6.871633° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Ruhrsagen. Von Ruhrort bis Ruhrkopf.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2005
ISBN 3-922750-60-5.





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