Der Berggeist warnt vor Schlagenden Wettern

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Datei:Malakoff01.jpg
Der Malakow-Turm der Zeche Julius-Philipp

Karl Schmidthaus:

Mein Vater erzählte folgende Geschichte: Als junger Bergmann von 19 Jahren arbeitete er auf der Zeche Julius Philipp. Eines Tages erschienen ihm und seinem Kumpel auf dem Weg zu ihrem Arbeitsplatz ein uralter Bergmann mit sehr langem, weißem Bart, den sie nicht kannten. Darüber wunderten sie sich schon sehr. Noch mehr wunderten sie sich aber über die Lampe, die er in der Hand hielt. Während damals - kurz nach 1900 - die Bergleute schon die mit feinen Drahtkörben abgeschirmten Benzin-Sicherheitslampen hatten, besaß jener noch eine alte, offene Öllampe, eine so genannte Froschlampe. Dieser alte Bergmann blieb einige Schritte von ihnen entfernt stehen. Sein Gesicht konnten sie nicht deutlich erkennen, sahen aber, dass er seine rechte Hand, mit der Handfläche ihnen zugekehrt, hob, ihnen also »Halt« gebot. Als sie noch einige Schritte weiter vorwärts gingen, wich auch die Gestalt zurück, so dass auch der Abstand gewahrt blieb. Die warnend erhobene Hand aber sahen sie bei jedem weiteren Schritt deutlicher. Plötzlich hob die Gestalt ihre Lampe langsam in die Höhe und als sie in Kopfhöhe angelangt war, fuhr die Flamme mit einem lauten Zischen heraus. Im selben Augenblick war auch die Gestalt des alten Bergmannes verschwunden.

Die beiden jungen, unerfahrenen Kumpel flohen entsetzt und berichteten ihrem Steiger das wunderbare Erlebnis. Der wollte mit ihnen gehen und die Sache an Ort und Stelle nachprüfen, doch dazu fanden sie sich nicht mehr bereit. So gab ihnen der Steiger eine andere Arbeit und ging allein an den von ihnen beschriebenen Ort. Er fand keinen uralten Bergmann, wohl aber entdeckte er, dass kurz hinter der Stelle eine große Menge »Wetter« standen. Diese Wetter sind die gefährlichen Grubengase, die man nicht riechen und auch nicht schmecken kann. Gerät der Mensch an solch einen wettergefüllten Ort, überfällt ihn in kürzester Zeit eine unwiderstehliche Müdigkeit. Schläft er dann ein, gibt es für ihn kein Erwachen. Werden solche Wetter durch irgend eine Unachtsamkeit entzündet - oft genügt schon das Zusammenschlagen zweier Eisenteile zur Erzeugung eines winzigen, zündenden Fünkchens - hat man die »Schlagenden Wetter« mit ihren katastrophalen Folgen. Der Steiger ließ sofort den Ort sperren, doch erst nach mehreren Tagen hatten sich die Wetter so weit verflüchtigt, dass dort die Arbeit wieder aufgenommen werden konnte. Wären die beiden unerfahrenen Kumpel aber in diese Wetter hineingeraten, wären sie schwerlich lebend herausgekommen. Entweder hätten sie durch eine unvorsichtige Bewegung mit ihren Lampen die Wetter entzündet - oder aber sie wären still und friedlich für immer eingeschlafen.

Erläuterung

Zeche Julius Philipp (*1783, +1905), benannt nach dem Miteigentümer Bergmeister Julius Philipp Heintzmann, stand in Wiemelhausen. Der 1877 errichtete Malakowturm (= aus Ziegeln gemauerter Förderturm, Vorgänger der Eisenfördertürme) steht als Baudenkmal an der Markstr.258a. Heute ist dort die Medizinhistorische Sammlung der Ruhruniversität Bochum untergebracht (Öffnungszeit: Mittwochs, 9-12 Uhr).

Malakowturm (WGS 84: 51.448822° 7.236206°)

Literaturnachweis

  • Schmidthaus, Nr. 1654, wohl 1961, S. 21f.

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Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.



Hier finden Sie: Malakowturm (51.448822° Breite, 7.236206° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




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