Der Baumeister und der Teufel

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

Wechseln zu: Navigation, Suche
Baumeister - Holzschnitt von Jost Amman - 1536

Dem Baumeister des ersten Gotteshauses in der Stadt Recklinghausen war es infolge der überaus ungünstigen Wegverhältnisse nicht möglich gewesen, das erforderliche Steinmaterial aus dem Steinbruche bei Steynberg – Stimberg – in der Haard zu beschaffen. Er war in großer Sorge; denn der Zeitpunkt der Fertigstellung des neuen Gotteshauses rückte immer näher. Als menschliche Hilfe nicht mehr zu erwarten war, wandte sich der Unglückliche an den Teufel und verschrieb ihm seine Seele, wenn er ihm das Baumaterial rechtzeitig zur Stelle schaffe. An dem Tage, wann der Schlußstein der Kirche eingesetzt werde, sollte der Teufel von der armen Seele Besitz ergreifen. Der Baumeister aber war schlauer als der Satan; er ließ den Schlußstein der Kirche gar nicht einfügen. Der Teufel geriet in unbändigen Zorn, und in seinem Grimme erfasste er am Stimberg den gewaltigsten der Steinblöcke und schleuderte ihn gegen das neue Gotteshaus, dass es in Trümmer zerfiele und den Baumeister unter sich begrübe. Der Wurf mißlang jedoch, der gewaltige Stein zerbrach in drei Stücke, wovon eins in Hochlar, das zweite in Berghausen und das dritte in der Gegend von Speckhorn mit großem Getöse niederfiel. Dort hat der zwei Meter hohe Steinriese lange, lange Jahre gelegen. Im Winter des Jahres 1907 legte man in bloß, und als 1913 dem verdienstvollen langjährigen Landrate des Kreises, dem Geheimen Regierungsrate Freiherrn von Reitzenstein, ein Denkmal gesetzt werde sollte, da erinnerte man sich des mächtigen Blockes und richtete ihn in den städtischen Anlagen am Herzogswall in Recklinghausen als Gedenkstein auf und schmückte ihn mit dem Bildnisse des edlen Verstorbenen. (Uhlmann-Bixterheide)

Als der Baumeister der St.-Peter-Kirche den vereinbarten Termin von fünf Jahren für die Vollendung des Werkes nicht einhalten konnte, verschrieb er sich dem Teufel. Dieser war bereit, ihm zu helfen, verlangte aber, dass er den Baumeister 30 Jahre nach Vollendung des Baues holen dürfte. Der Kirchenbau ging nun zügig voran, doch vollendet wurde er nicht. Der Baumeister ließ mit Absicht den Schlußstein im Gewölbe fehlen. Die Lücke erhielt eine kunstgerechte Verkleidung und fiel weiter nicht auf. Am Tag der Einweihung wurde der Vikar an das Sterbelager des Herrn auf der Burg Rensing in Speckhorn gerufen. Auf dem Weg dorthin verfinsterte sich plötzlich der Himmel, und eine schwarze Wolke schob sich unter gewaltigem Heulen und Gebraus auf die Stadt zu. Erschreckt hob der Vikar zum Schutze seinen Stab empor. Unter donnerndem Krachen fuhr ein gewaltiger Felsblock neben ihm nieder und bohrte sich tief in die Erde. Der Teufel, erbost über den ihm entgangenen Lohn, hatte von der Höhe des Stimbergs einen mächtigen Steinblock gegen die Kirche geschleudert. Er wollte sie mitsamt den frommen Betern zerschmettern.

Eine Variante dieser Sage berichtet: Der Vikar aber hatte die Gefahr abgewandt. Der Baumeister bekannte seine Schuld und zog sich reumütig in ein Kloster zurück. Erst nach seinem Tod ist ein Schlußstein eingefügt worden, der die Züge des Baumeisters trägt.

(Sauermann)

Anmerkung

Die Sage handelt wohl von dem Vorläuferbau der bei einem Stadtbrand im Jahre 1247 zerstörten katholischen Petruskirche am Kirchplatz (meist geöffnet). Der oben genannte Schlussstein wurde bei einem Bombenangriff 1944 mit einem Teil der spätromanischen Kirche zerstört. Eine Nachbildung des Schlusssteines mit dem Bildnis des Baumeisters ist heute an der Vierungswand über dem Altar zu sehen. Gegenüber der Kirche befindet sich das sehenswerte Ikonenmuseum. Möglicherweise gehörte der »sich ins Kloster zurückziehende“ Baumeister den Zisterziensern an. Mönche dieses Ordens waren als Baumeister vieler Kirchen Westfalens tätig. Ein Zusammenstoß von christlichem und heidnischem Glauben mag der Anlass für diese Sage gewesen sein, zumal auf dem Stimberg ehemals eine heidnische Kultstätte gewesen sein soll.

Diese Sage hat zwei Teile, die unabhängig voneinander sind. Der zweite Teil der Sage ist eine volkstümliche Deutung für das Vorhandensein großer Steine auf der Feldflur. Der Gedenkstein des Freiherrn von Reitzenstein, Landrat des Kreises Recklinghausen von 1848-1893, liegt gegenüber der Engelsburg an der Augustinessenstr. / Ecke Herzogswall. Dort ist auch ein großer Teil der historischen Stadtmauer erhalten. Die Haard bezeichnet ein Waldgebiet im Norden von Oer-Erkenschwick. Der 156 m hohe Stimberg in der Haard liegt nördlich der Ahsenern Str. in Oer-Erkenschwick. Die Steinbrüche am Stimberg lieferten das Baumaterial für die Petruskirche. Die historischen, nun überwucherten Steinbrüche lagen östlich des zum Berggipfel führenden Weges und sind noch heute als »Kuhlen“ erkennbar. In Recklinghausen-Speckhorn existierte keine Burg Rensing, wohl aber steht dort heute noch ein bewirtschafteter Hof gleichen Namens an der Gersdorffstr. 91 (Im Stadtplan eingezeichnet.). Hochlar und Berghausen sind Stadtteile von Recklinghausen.

Petruskirche (WGS 84: 51.615205° 7.198078°) Stimberg (WGS 84: 51.661922° 7.259731°)

Literaturnachweis

  • Uhlmann-Bixterheide, 1924, 24f. (nach Bette und Fleitmann, Heimatkunde des Vestes Recklinghausen, 1921); Sauermann, 1993, 155f. ; in Am. verwendete u. weiterführende Lit. : Kollmann, 144-146


Hier finden Sie: Petruskirche (51.615205° Breite, 7.198078° Länge)

Diesen Ort mit weiteren Geodiensten anzeigen. Weitere Sagen aus Recklinghausen.


Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




Der Text ist urheberrechtlich geschützt. Nähere Informationen: siehe Impressum.

Ruhr2010Logo
Redaktion