Das große Grubenunglück auf der Zeche Neu-Iserlohn I und der Berggeist

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

Wechseln zu: Navigation, Suche
Reste der Kokerei auf Zeche Neu-Iserlohn

Karl Schmidthaus:

Im Jahre 1868 arbeitete mein Großvater auf der Zeche Neu-Iserlohn - auch Münsterland genannt - in Somborn. Täglich musste er den weiten Weg von Querenburg nach dort zurücklegen.

Am 15. Januar 1868 ereignete sich auf dieser Zeche das bis dahin furchtbarste Unglück des westfälischen Bergbaus. »Schlagende Wetter« hatten sich entzündet und eine riesige Explosion brachte 81 Bergleuten, also einem großen Teil der Belegschaft, den Tod. 27 davon ruhen auf dem alten Friedhof in Bochum-Langendreer in zwei Massengräbern. Unter diesen 27 befand sich auch ein Vetter meines Großvaters, der noch nicht 15 Jahre alt war, und der Bräutigam einer sechs Jahre älteren Schwester aus derselben Familie. Im Kirchenbuch steht bei dem Letztgenannten der Zusatz: Vier Tage vor der Trauung verunglückt.

Unter diesen Toten wäre auch mein Großvater gewesen, denn in seinem Revier lag der Zündungsherd der Explosion. Dass es nicht der Fall war, verdankt er seiner zu dem Zeitpunkt noch nicht geborenen Tochter - und seinen Ahnungen. Am 16. Januar gebar seine Frau ihr viertes Kind, eine Tochter, doch schon am 15., also einen Tag früher als notwendig, fand er nicht den Weg zur Zeche. Er selbst soll darüber Folgendes erzählt haben, und ich muss einfügen, dass ich die folgende Geschichte außer von meinem Vater auch von meinem ältesten Vetter, dem ältesten Kind der damals am 16. Januar 1868 geborenen Tochter meines Großvaters, gehört habe.

Drei Tage vor dem Unglück erschien den im Revier meines Großvaters arbeitenden Kumpeln während des Bergamtes ein uralter Bergmann mit langem, weißem Bart, den niemand von ihnen kannte. Er hob sein »Geleucht«, seine Öllampe, in die Höhe und erhob warnend den Zeigefinger der rechten Hand. Im nächsten Augenblick war er wieder verschwunden. Die Kumpel wunderten sich sehr und konnten sich diese Erscheinung nicht deuten. Sie setzten kurz darauf ihre Arbeit fort und vergaßen, was sie gesehen hatten.

Am nächsten Tag sahen sie den alten Kumpel wieder, doch da war sein Gesicht noch ernster als am Vortage. Da waren dann die Gespräche verstummt, und es war ihnen recht unheimlich zu Mute. Einer sprach das aus, was alle dachten: »Das war Caspar!« Unlustig setzten sie ihre Arbeit fort, grübelten über die Erscheinung nach, konnten sie aber nicht deuten.

Am dritten Tage, also am 14. Januar, erschien Caspar wieder, er hob dreimal mit todernstem Gesicht warnend seine Hand, hielt dann sein Geleucht hoch und die Kumpel sahen, wie die Flamme zischend daraus entwich und in der Strecke verschwand. Entsetzt liefen sie zum Schacht und warteten dort das Ende der Schicht ab, aber an jenem Tage ereignete sich nichts.

Am nächsten Tage ging mein Großvater nicht zur Arbeit, weil er der Erscheinung vielleicht mehr Bedeutung beimaß, als es die anderen taten. Außerdem will er in der Nacht einen wunderbaren Traum gehabt haben, über den er sich allerdings nie ausgesprochen hat. Als Vorwand diente ihm der Umstand, dass seine Frau niederkam, obwohl er angeblich genau wusste, dass seine Tochter erst am nächsten Tag zur Welt kam. An diesem Tage geschah dann das Unglück.

Anmerkungen

Zeche Neu-Iserlohn I. (1859-1968) hieß ursprünglich Zeche Münsterland. Iserlohner Geldgeber gaben 1863 den Anlass, den Namen zu ändern.

Eingänge zum ehemaligen Bergwerk befinden sich gegenüber der Somborner Str. 168 (zwei Schachtabdeckungen), 178 und 184. Der letzte Zugang ist besonders interessant, da im Gesträuch Fundamente der 1895 errichteten Koksofenbatterie zu finden sind. Hier wurden die im Koksofengas enthaltenen Kohlenwertstoffe Teer, Benzol und Ammoniak gewonnen. Die Gewölbe beherbergten Maschinen zur Luft- und Gaszuführung der Öfen. Die romantisch von Efeu umwucherten Ruinen der Batterie stellen heute das älteste noch erhaltene Relikt aus dem Bereich der Kohleveredelung im Ruhrgebiet dar. Der alte Friedhof befindet sich in Langendreer Hauptstr. 229; die Grabstele der verunglückten Bergleute liegt 50 m rechts hinter dem Torbogeneingang.

Schlagende Wetter: Explosives Gemisch von Luft mit 2-9% Grubengas.

Bergbaugedenkstätten auf dem Ostfriedhof Dortmund (WGS 84: 51.5095° 7.490165°) Somborner Str. 168 (WGS 84: 51.489335° 7.34027°)

Literaturnachweis

  • Schmidthaus, Nr. 1654, wohl 1961, S. 19-21; Hermann, 160f.


Datei:Rik.gif

Diese Sage folgt der Themenroute 22 – Mythos Ruhrgebiet der Route der Industriekultur des Regionalverbandes Ruhr.
Der RVR bietet zum Thema »Bergbaugedenkstätten auf dem Ostfriedhof Dortmund« folgende Informationen.


Hier finden Sie: Bergbaugedenkstätten auf dem Ostfriedhof Dortmund (51.5095° Breite, 7.490165° Länge)

Diesen Ort mit weiteren Geodiensten anzeigen. Weitere Sagen aus Bochum.



Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Bochumer Sagenbuch.
Verlag Pomp, 2004
ISBN 978-3893550678.




Der Text ist urheberrechtlich geschützt. Nähere Informationen: siehe Impressum.

Ruhr2010Logo
Redaktion