Bernhard von Galen und die Bürger von Lünen

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Christoph Bernhard von Galen 1670

Im Jahre 1672 kam der mächtige münstersche Bischof Bernhard von Galen zu dem Städtchen Lünen, um dasselbe einzunehmen und wider alles Recht unter seine Botmäßigkeit zu bringen. Allein die Bürger widersetzten sich tapfer und wagten es sogar, im Vertrauen auf die Festigkeit ihrer Mauern, den Bischof zu verspotten. (Berndken van Gaolen / kann puchen, kann praohlen / kann stinken, kann leigen / kann Lüde bedreigen.) Da verdoppelte dieser seine Mannschaft, brach mit Sturm in die Stadt ein und gab seinen Soldaten den Befehl, die Mauern zu schleifen, die Häuser anzuzünden und die ganze Stadt dem Boden gleichzumachen. Vergeblich flehten Scharen von Bürgern die Gnade des siegreichen Bischofs an, vergeblich demütigten sich die Vornehmen der Stadt vor ihm, und vergebens bot man ihm alle Reichtümer und gelobte ewigen Gehorsam; das harte Herz des Bischofs wurde durch nichts bewegt, und er beharrte in seinem grimmigen Vorsatze, die Stadt gänzlich zu vertilgen.

Da versammelten sich die Weiber der Stadt mit ihren Kindern und suchten zwölf von ihren jungen Töchtern aus, welche die schönsten und liebsten waren. Diese kleideten sich in schneeweiße Gewänder, flochten Kränze in ihr Haar und zogen so zu dem Bischof, fielen zu seinen Füßen und sprachen mit Tränen in den Augen: »Herr, du hast den Untergang unserer armen Stadt beschlossen und willst uns vertreiben aus den Wohnungen unserer Väter, blicke gnädig auf uns arme Waisen und verschließe nicht dein Herz unseren Tränen.« Kaum hatten die Jungfrauen diese Worte ausgeredet, so wandelte sich der Zorn des Bischofs in Mitleiden; mit sanfter Stimme hieß der raue Krieger die Jungfrauen von dannen gehen und verließ noch in derselben Stunde mit aller Mannschaft die Stadt. Die Witwe des Bürgermeisters Middeldorp in Lünen, welche erst vor hundert Jahren gestorben ist, hat die Wahrheit dieser Begebenheit bezeugt und in ihren alten Tagen mehrmals erzählt, dass sie selbst unter den zwölf Jungfrauen gewesen und mit dazu beigetragen habe, das große Unheil der Zerstörung ihrer Vaterstadt zu entfernen.

Anmerkungen

1672 eroberte der Bischof von Münster Christoph Bernhard von Galen die Stadt und drohte sie niederzubrennen. Auf inständiges Bitten begnügte er sich mit einer Zahlung von 500 Reichstalern.

Literaturnachweis

  • Münsterische Geschichten, 1825, S. 103f. (modernisiert nach Burde – Schneidewind, 1969, Nr.284)




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Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


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