Backems Krüz

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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alter Schlitten

In der Nacht des ersten Vollmondes in jedem neuen Jahre stand, wenn die Uhr zwölf schlug, im Schlosshof zu Grimberg ein Gefährtschlitten. Er war weiß wie der Schnee, und seine Form war die eines Schwanes. Auf dem Sitzbrett im Schlitten lagen anstatt eines Polsters drei Brennnesseln, und als Gespann war ein weißes Pferd mit acht Beinen vor dem Schlitten. Alsbald öffnete sich die große Tür des Herrenhauses, und heraus trat, mit einem glühenden mächtigen Schwert in der Hand, der vermummte Ritter von Grimberg. Während er in den Schlitten stieg, ertönte aus der Tiefe des großen Rundturmes ein herzzerreißendes Jammern und Stöhnen. Kaum war der Ritter in den Schlitten gestiegen, so begann eine tolle Fahrt über Weg und Steg, Stock und Stein, auch hoch durch die Luft über Busch und Baum. In der Linken hielt der Ritter den Pferdezügel, und mit der Rechten schwang er statt der Peitsche sein glühendes Schwert.

Zuerst ging die Fahrt durch die Grimberger Allee, dann über den Bleck (Bleckstr. ) am Hofe des Grimberger Fronen (Hof Grimberg, Grimbergstr. ) vorbei, dann über die Emscherbrücke in den Keller Busch. Zwischen Haus Leithe und dessen Mühle ging’s wie der Wind dahin nach der Landstraße, rechts an Schloss Berge vorbei bis über die Höhe des Berges. Da wo der Weg hinter Schloss Berge sich senkt, blieb plötzlich das Gefährt stehen. Weshalb? Mitten auf dem Wege stand da im Vollmondschein ein in blutrotem Glanze erstrahlendes mannshohes Kreuz, und auf dem Kreuz stand eine schwarzgekleidete und tief verschleierte Frau. Sie reckte drohend den entblößten linken Arm empor, von dem Blut herniederrieselte auf das Kreuz. Und jeder Blutstropfen ward alsbald zu einem feurigen Flämmchen. Das Pferd stutzte, bäumte sich auf und wollte keinen Schritt weiter jagen. Der Ritter zuckte am Zügel, schwang sein glühendes Schwert und schlug zornig nach dem Pferde. Da wandte sich dieses und riss den Schlitten mit herum, – und weiter ging die sausende Nachtfahrt, jetzt vor dem Kapellchen des Schlosses Berge vorbei, weiter durch die Darler Heide und nach dem Haus Balken in Sutum. Dieses Haus wurde dreimal von dem Gefährt in der Luft umkreist. Währenddessen stieß aus der Höhe ein roter Adler hernieder und gerade auf den Ritter los. Ehe dieser es sich versah, hatte sich der Adler schon mit seinen scharfen Krallen an des Ritters Hals und Brust eingeschlagen. Mit kräftigem Hiebe hackte er mit seinem Schnabel des Ritters linkes Auge aus. Vor Schmerz stieß der Ritter einen grässlichen Fluch aus. Nach der dritten Umkreisung des Hauses Balken ging die rasende Fahrt weiter nach der Emscher, über die alte »Brügge« hinüber und am »Diek« vorbei, nach dem Haus in der »Rodung« und weiter nach dem Haus Dinsingh. Auch dieses Haus wurde dreimal in der Luft umkreist. Während der dreimaligen Umkreisung hatte sich der Schwanschlitten in einen schwarzen verwandelt, er konnte sogar sprechen und rief dreimal laut: Kennst du mich?! Dann ging die Fahrt des wieder weiß gewordenen Schlittens weiter über die »Bredde« (Op de Bredde) und über Pantaleonshof nach der Hüller Mühle. Zu dem Augenblick, als der Schlitten über die Mühle sauste, ächzte das Mühlrad schwer, und Tausende von Weizenkörnern fuhren wie ein Hagelwetter gegen den Ritter von Grimberg, und viele drangen auch in seine frische Wunde am linken Auge. Dadurch vergrößerten sich die Schmerzen des Ritters nur, und wieder stieß er einen grässlichen Fluch aus. Weiter ging die Fahrt in rasendem Galopp nach Bochum, und hier fuhr der Schlitten über den Kirchturm hinweg und dann auf dem kürzesten Weg nach dem Ufer der Ruhr. Hier wandte sich der Schlitten nach links und folgte dem Fluss stromaufwärts bis nach Schwerte. Da drehte sich der Schlitten nach rechts und fuhr geradewegs auf das Wasser der Ruhr. In der Ruhr entstand unter dem Schlitten ein Strudel, und das Gefährt samt Ross und Ritter ward in den gurgelnden Wirbel des Flusses hinabgerissen. Der Ritter hob zuletzt noch sein glühendes Schwert in die Höhe. Als dann auch dieses hinabtauchte und der glühende Schwertstahl von dem eiskalten Wasser berührt wurde, zischte es auf, und ein Dampfwölkchen stieg in die Höhe, hinauf in die Vollmondnacht. Von dem Schlitten, dem Ross, dem Ritter und dem Schwert ward nichts mehr gesehen. Die Turmuhr in Schwerte hatte soeben mitternächtig Eins geschlagen. –

Bei jedem ersten Vollmond in jedem neuen Jahre wiederholte sich dieselbe tolle Fahrt. »

(Grasreiner)

Ein Bauer aus (Gelsenkirchen-) Erle, der vor langen Jahren dem gespenstischen Treiben in einer Vollmondnacht vor dem Mordtag, der dem heiligen Antonius geweiht ist, zugesehen hat, soll aus lauter Angst und Schreck das Kreuz zerschlagen haben (Griese).

Anmerkung

Am 17. Januar 1480 erschlug Ritter Adrian Sobbe zu Grimberg (Raubritter Grimberg) seinen Nachbarn, den Ritter Dietrich von Backem zu Leithe, vor dem Ortseingang von Buer bei Gelsenkirchen. Von Backem und Mechthild seine Frau, eine geborene von Eickel, fuhren in einem Schlitten, als die Tat geschah. Sie waren auf dem Weg zur Kirche in Buer. Bei dem Anschlag wurde Mechthild mit einem Messer am Arm verletzt. Dietrichs Bruder errichtete am Tatort ein Mahnkreuz, »Backems Kreuz« genannt. Habsucht soll das Tatmotiv gewesen sein. Ritter Adrian trachtete nach dem vollen Besitz der Berger Mark (Grenzland zwischen zwei Gemeinden). Über die anderen Anteile dieser Mark verfügten damals die Brüder von Backem: Dietrich auf Haus Leithe und Jörgen auf Haus Berge. Die Tat blieb ungesühnt.

Die Mühle von Haus Leithe stand wohl am Burgmühlenhof und wurde von dem Leither Mühlenbach angetrieben. Schloss Berge finden wir an der Adenauer Allee. Die Kapelle von Schloss Berge stand 150m vom Hauseingang entfernt. Die Berger Mark befand sich zwischen der Adenauer Allee und der Münsterstr. an der Emscher. Backems Krüz stand bis ca. 1970 im Vorgarten des Hauses Crangerstr. 29. Heute steht der Kreuzstumpf gegenüber dem Pflegezentrum am Scherner Weg 8, dort wo der Berger Weg auf die Adenauerallee trifft. Die Hüller Mühle, an der auch die Reste des Hüller Mühlenteichs liegen (Liegnitzer Str. / Ecke Hüller Mühle in Gelsenkirchen), war die Grimberger Herrschaftsmühle. Ritter Adrian stammte vom Herrensitz Haus Villigst bei Schwerte; heute beherbergt das Anwesen eine Bildungsstätte der evangelischen Kirche. Der Adelssitz an der Ruhr liegt an der Iserlohner Str. Haus Leithe liegt in Gelsenkirchen-Erle an der Middelicherstr. 72.

Von Schloss Grimberg ist nur noch die Kapelle erhalten, die 1908 auf die Gräfteninsel des Wasserschlosses Herten (Im Schlosspark) in den gleichnamigen Ort südlich von Gelsenkirchen versetzt wurde. Schloss Grimberg lag an der geichnamigen Straße in Gelsenkirchen - Bismarck. Das Gut, ein Lehen der Grafen von der Mark gegen das Kölner Vest (Festung) Recklinghausen, gehörte zur Pfarrei Bochum. Die Grimberger hatten dortselbst ihre Erbbegräbnisstätte unter dem Chor der Propsteikirche St. Peter und Paul (Große Beckstr. ). Haus Balken lag auf dem jetzigen Betriebshof von Gelsenwasser, 300m entfernt (südlich) hinter dem grünen Seitengebäude, welches auf das Hauptgebäude von Gelsenwasser trifft. Das Gut war schon 1760 »verwüstet.« Gelsenwasser liegt an der K. Schumacher Str. /Ecke W. Brandt-Allee in Gelsenkirchen.

Familie von Grimberg war ein bekanntes, schon 1183 im Abgabenverzeichnis der Benediktinerabtei (Essen-) Werden erwähntes Altenbochumer Adelsgeschlecht (1307 von Aldenbockum genannt).

Jasper von Dinsingh (von Haus Dinsingh in der Braubauerschaft; zur Zeit nicht lokalisierbar, Hinweis erbeten !), der einen schwarzen Schwan im Wappen führte (siehe den »Schwazen Schwan“ in der Sage), kam 1482 in den Besitz von Haus Balken, daher wurde auch dieser Rittersitz in der Folgezeit mitunter Haus Dinsingh genannt.

Nicht lokalisierbar sind ferner: Am Diek, Haus in der Rodung und Kellerbusch. Hinweis erbeten !

Schloß Grimberg (WGS 84: 51.545367° 7.126167°)

Backems Krüz (WGS 84: 51.572067° 7.062683°)

Literaturnachweis

  • WS, Nr. 64 (nach Grasreiner, 40-42, Grasreiner führt auf den Seiten 42-45 noch das 20-versige Gedicht ``Backems Krüz» von Heinrich Haslinde aus Castrop an; Griese,132-134; Rudolf Brock: Haus Balken, in: Griese, 100-104; Ludorff, 19f.)


Hier finden Sie: Backems Krüz (51.572067° Breite, 7.062683° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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