Als es in Spellen noch spukte

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Werwolf, Holzschnitt 1512

Die meisten Spukgeschichten, von denen man in Spellen zu berichten weiß, sollen sich auf dem »Grovelsberg« abgespielt haben, der hiernach auch benannt sein dürfte; denn im plattdeutschen Sprachgebrauch sagte man für »gruseln« auch »groveln«. Von Berg kann allerdings keine Rede sein, denn es handelt sich hierbei um das hinter dem Sportplatz liegende flache Gelände. Hier sollen die »Wehrwölfe« gehaust haben, die zur Nachtzeit einsame Wanderer anfielen und ihnen auf den Rücken sprangen, um sich eine Stecke tragen zu lassen. Die Angefallenen, die sich hierbei jedoch zur Wehr setzten, will man morgens mit allerlei Verletzungen aufgefunden haben. Die Angst der Bewohner vor diesen »Spukgestalten« führte schließlich dazu, dass sich zur Nachtzeit niemand über den »Grovelsberg« wagte, sondern lieber einen weiten Umweg machte und auch heute nach 200 Jahren bewirken die Gruselgeschichten noch, dass zahlreiche Spellener Mädchen und Frauen zur Nachtzeit den Weg über den »Grovelsberg« meiden.

Die Dorfbewohner waren gegen die »Geistererscheinungen«, machtlos. Wollte man sie zur Strecke bringen, blieben sie lange Zeit verschwunden, um plötzlich wieder aufzutauchen. Dann zogen beherzte Bauern zur Mitternachtsstunde mit Dreschflegeln, Mistgabeln, Eichenknüppeln und anderen Schlagwerkzeugen hinaus, um den bösen »Geist« zu vertreiben. Ihre Mühen waren stets vergebens, da sie nie einen »Wehrwolf« zu Gesicht bekamen. Wohl soll es einem Bauern einmal gelungen sein, im Kampf mit einer unheimlichen Gestalt, die ihm auf den Rücken gesprungen war, die Oberhand zu behalten. Am anderen Morgen soll man eine Frau, in einem Loch liegend, mit schweren Verletzungen aufgefunden haben; der man aber nichts nachweisen konnte. Man sperrte sie wohl ein, doch soll sie über Nacht ausgebrochen und nie mehr in Spellen gesehen worden sein.

Nach längerer ruhiger Zeit soll es dann auf dem »Grovelsberg« wieder unheimlich zugegangen sein. Einmal, so erzählen die Dorfältesten noch, sein ein junger Bauer mit arg verbeultem Kopf und seiner Barschaft beraubt, in einem Graben liegend aufgefunden worden sein. Auch die Tat schrieb man den Spukgestalten zu und die Bauern rüsteten sich bereits zu einem neuen nächtlichen Feldzug, als die Geschichte eine überraschende Aufklärung erfuhr. Der Bauer, der damals in Hünxe eine Liebschaft unterhielt und mit den dortigen Burschen oftmals in Händel geraten war, war von denselben mit Prügel aus dem Dorfe gejagt worden.

In Emmelsum weiß man auch von Spukgeschichten zu erzählen, die sich in der Niederung, wo sich jetzt die Kanalschleuse befindet, abgespielt haben soll. Eines Nachts wollten die dortigen Bauern einen großen, fünfbeinigen Hund mit zwei Köpfen gefangen haben, der ihnen aber über Nacht, trotzdem sie ihn gut eingesperrt hatten, wieder entlaufen sein soll. Bei einer anderen Gelegenheit hat man eine vermummte Gestalt auftreiben können, die man mit Dreschflegeln und Mistgabeln fast totschlug. Am anderen Tag soll es sich dann herausgestellt haben, dass es sich bei dem vermeintlichen Spuk um einen Bauernknecht aus Spellen handelte, den man übel zugerichtet hatte.

Eine weitere lustige Geschichte weiß man aus Spellen zu berichten. Ein in der »Kämp« wohnender Spellener Bauer hatte auf einer Schiebkarre Buchweizen zu der jetzt nicht mehr in Betrieb befindlichen Windmühle gebracht und hatte sich mit verschiedenen Bauern über allerlei Spukgeschichten unterhalten, wobei es sehr spät geworden war.

Auf dem Weg nach Hause ließ sich die Karre plötzlich schwer ziehen und der Bauer bekam es mit Angst zu tun, als er an die gehörten Spukgeschichten dachte. Als ihm schließlich der Wind noch einen Baumast auf den Rücken schleuderte, war er fest davon überzeugt, dass ein »Wehrwolf« auf seinem Mehlsack sitze. Angsterfüllt, und ohne sich umzusehen, zog er die schwere Karre nach Hause und langte schließlich schweißtriefend an.

Atemlos stürmte er ins Haus, um Hilfe zu holen. Man trommelte die ganze Nachbarschaft zusammen, konnte aber nirgends einen Wehrwolf entdecken. Am anderen Tage fand die Geschichte dann ihre Aufklärung. Übermütige Burschen hatten dem Bauern nämlich einen Streich gespielt und das Rad der Schiebkarre an einer Seite aus dem Lager gehoben, so dass es bei schwerer Fracht schleifte. Das biedere Bäuerlein wurde wegen seiner »Begegnung mit dem Wehrwolf« viel ausgelacht und soll während der Dunkelheit nicht mehr zur Mühle gegangen sein.

In dem Keller des Bauern »Bernd de Bück« auf dem Mehr soll es auch gespukt haben. Niemand traute sich mehr in denselben hinein und dem Bauern ging das ganze Dienstpersonal laufen, so dass er schließlich keinen Ausweg mehr wusste und einen Pater aus Dorsten herbeiholte, der gegen gutes Geld den Geist zu bannen versprach. In unmittelbarer Nähe des Hauses wurde ein tiefes Loch gegraben, in das der Pater mit allerlei Bannsprüchen und Zeremonien den Geist lockte. So erzählt man, und dass er es nicht habe verhindern können, dass sich dieser Spuk alle sechs Jahre einen Hahnenschritt dem Hause wieder näherte.

Nachdem man dann längere Zeit in Ruhe und Frieden gelebt hatte, vernahm man im Keller wieder etwas Unheimliches. Der Bauer ließ den Keller zumauern, doch gelangten bei späteren Umbauarbeiten Handwerker in diesen hinein. So lange sie auch suchten, der böse Geist war nirgends zu finden, lediglich altes Gerümpel und phosphoreszierendes Holz, das in der Dunkelheit aufleuchtete, fand man vor, und in diesem hatten die abergläubischen Bewohner scheinbar den »bösen Dämon« gesehen.

Anmerkungen

Zum Grovelsberg: ``Von Berg kann allerdings keine Rede sein, denn es handelt sich hierbei um das hinter dem Sportplatz liegende flache Gelände.´´ Gemeint ist wohl die Gegend an der Straße Groelberg dort befindet sich auch ein Sportplatz.

``Bernd de Bück´´ auf dem Mehr: Der Name ``De Bück´´ ist in Voerde nicht mehr anzutreffen. Mehr ist eine Bauerschaft östlich von Voerde-Spellen an der Mehrstraße.

Der Pater aus Dorsten kam wohl aus dem Franziskanerkloster Dorsten. Dieses wurde bereits 1488, in der Altstadt gelegen, gegründet. Die Brüder errichteten darin 1642 das Gymnasium Petrinum. Vor der Zerstörung im 2. Weltkrieg diente das Franziskanerkloster Dorsten als Studienhaus für Theologiestudenten. 1952 wurde die Kirche an der Lippestr. 5 wieder aufgebaut. Die Errichtung des St.-Peter-Konviktes und des Paschaliskollegs erfolgten 1959. Im Jahre 1977 wurden die Kirche und sämtliche zu ihr gehörende Gebäude abgerissen und 1978 in ihrer heutigen Form neu erbaut. Das Patronat der Kirche ist St. Anna. Siehe Franziskaner Dorsten.

»Grovelsberg« (WGS 84: 51.59904° 6.622546°)

Literaturnachweis

  • Karl Heck, Heinrich Peitsch, Es geht eine alte Sage, Sagen, Legenden und Erzählungen vom unteren Niederrhein, Wesel 1967, S. 147-149 (nach: Gert LindenKamp)




Hier finden Sie: »Grovelsberg« (51.59904° Breite, 6.622546° Länge)

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Diese Sage ist in den bisher erschienen Werken von Dirk Sondermann nicht enthalten. Von ihm erschienen die Bücher Ruhrsagen, Emschersagen, Bochumer Sagenbuch, Wattenscheider Sagenbuch und Hattinger Sagenbuch. Weitere Publikationen sind in Vorbereitung. Bitte beachten Sie auch unsere Veranstaltungshinweise.


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