Agnes von Vierbecke in der Geschichte und Sage

Aus Sagenhaftes Ruhrgebiet

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Kirchner - Holzfuhrwerk im Wald

Diese Frau trägt in der Dortmunder Geschichte nicht den Namen ihres verstorbenen Mannes, des reichen, angesehenen Dortmunder Bürgers Sudermann, sondern ihren Mädchennamen. Ihr Vater war ein märkischer Edelmann, Johann Wickede von der Vierbecke auf Haus Vierbecke bei Opherdicke.

Damals in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts, als die Reichsstadt Dortmund in ihrer höchsten Blüte stand, musste sie ihre Unabhängigkeit gegen zwei mächtige Gegner behaupten: gegen den Erzbischof von Köln und besonders gegen den Grafen von der Mark, in dessen Herrschaftsbereich die Stadt wie eine Insel lag. Mehrmals hatten die deutschen Kaiser die Stadt und auch die umliegenden Reichshöfe sowohl an den Erzbischof als auch an den Grafen von der Mark mit allen Rechten und Einkünften verpfändet, um sich so deren Stimmen bei den Kaiserwahlen zu sichern. Die Stadt war dadurch in ihrer Reichsfreiheit stark bedroht. Am gefährlichsten für sie war der streitbare Graf Engelbert III. von der Mark. Am 4. Oktober 1378 versuchte er, die Stadt durch eine ausgeklügelte List zu überrumpeln. Der Plan stammte von seinem Bruder Dietrich von Dinslaken. Agnes von der Vierbecke, die als achtbare Witwe Sudermann in der Stadt lebte, aber zu ihren verwandten märkischen Adligen hielt, sollte dabei entscheidend mithelfen. Sie erschien in der Morgenfrühe am Wißstraßentor, begleitet von ihrem siebzehnjährigen Sohn Arnold Sudermann und dem Junggrafen Konrad von Dortmund. Sie bat die Pförtner, die ihr gut bekannt waren, die Tore zu öffnen, und gab an, draußen ständen zwei Fuhrwerke, die ihr Wintervorräte an Holz und Heu brächten. Die arglosen Wächter schickten sich auch an, die schweren Tore zu öffnen.

Agnes hatte vorher mit den Märkern vereinbart, dass der erste mit Holz beladene Wagen bis unter das äußere Fallgitter fahren und dort stehen bleiben solle, damit das Gitter nicht wieder heruntergelassen werden könnte. Im zweiten Wagen aber waren unter dem Heu Bewaffnete versteckt. Sobald dieser Wagen durch das Tor gefahren war, sollten sie aus dem Heu hervorspringen und die Torwächter erschlagen. Die außerhalb des Walles versteckten Märker konnten dann auf ein gegebenes Zeichen durchs Stadttor eindringen und die Dortmunder überrumpeln.

Als nun die Wagen das Außentor passiert hatten, schickte Agnes den Pförtner, dem sie nicht recht traute, zu den Fleischbänken mit der Bitte, ihr eine gute Portion Pfefferpotthast zu kaufen. Danach stieg sie mit ihrem Sohn und dem Junggrafen auf den Torturm. In dem Glauben, es sei alles in Ordnung und die Pforten wären hochgezogen, gab sie den im Hinterhalt liegenden Märkern mit einem weißen Tuch das verabredete Zeichen. Die stürmten mit Geschrei herbei, um in die Stadt einzudringen. Aber sie kamen zu früh, die Innenpforte war noch fest verrammelt, und der so schlau angelegte Plan misslang.

Durch das Sturmgeschrei der Märker aufgeschreckt, eilten wachsame Bürger herbei, entdeckten den Verrat und die Verräter oben auf dem Turm. Agnes wurde auf dem Wagen mit Holz in Ketten gelegt und noch am selben Tag öffentlich verbrannt. Ihr Sohn und der Junggraf von Dortmund wurden auf dem Marktplatz enthauptet.

Der märkische Adel war über die schnellen Hinrichtungen empört. Man warf dem Rat der Stadt vor, er habe Unschuldige getötet. Zwar hätten märkische Truppen einen Überfall geplant, doch Agnes von der Vierbecke und ihre beiden jungen Begleiter hätten keinerlei Beihilfe geleistet. Die Dortmunder aber waren von ihrem Recht so sehr überzeugt, dass sie jahrhundertelang in jedem Herbst am Sonntag nach Michaelis mit einer feierlichen Prozession der Errettung ihrer Stadt gedachten.

Die Berichte über den Verrat der Agnes von der Vierbecke und ihr furchtbares Ende machten in Windeseile die Runde. In Agnes Heimat war man starr vor Entsetzen. Diese Frau war doch mit ihnen aufgewachsen. Man erinnerte sich noch, wie sie mit dem Brautwagen nach Dortmund geholt worden war, dahinter der Aussteuerwagen, auf dem ihr Spinnrad thronte. Vor allem verstand man nicht die politischen Hintergründe dieser grausamen Urteile. Je mehr Zeit über dem Ereignis verging, umso mehr wurde beim Erzählen in den Spinnstuben die Geschichte von der Agnes verwandelt.

Wenn eine Frau auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, dann musste sie nach Meinung der Leute eine Hexe gewesen sein. So entstand in der Gegend um Holzwickede die Sage vom goldenen Spinnrad der Agnes von der Vierbecke:

Agnes soll eine Hexe gewesen sein und mit dem Teufel im Bunde gestanden haben. Der Teufel war ihr einst in der Gestalt eines galanten Mannes begegnet mit dunklem Gesicht, einem grünen Mantel, rotem Hut und unterschiedlich großen Schuhen. Er hatte ihr einen Schatz versprochen, den er ihr schenken werde, wenn sie alles tun würde, was er ihr sagte. Das junge Mädchen verschrieb sich ihm und erhielt dafür ein goldenes Spinnrad, das von selbst spinnen konnte. Als die Dortmunder die Hexen ausrotten wollten, fragten sie überall herum, wo es welche gäbe. Dabei erfuhren sie von Agnes, von dem Fremden und von dem goldenen Spinnrad. Sie versuchten, sie in die Stadt zu locken, da die Reichsstädter außerhalb ihres Gebiets keine Macht über sie hatten. Doch weil ihnen das nicht gelang, holten die Dortmunder sie heimlich mit einem Pferdewagen ab, banden sie darauf fest und verschleppten sie in die Stadt. Hier wurde ihr der Prozess gemacht, und sie wurde als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Als sie starb, versank das goldene Spinnrad im Brunnen des Hauses Vierbecke und ist bis heute nicht wieder gefunden worden.

Anmerkungen

Das wasserumwehrte Haus Vierbecke lag südlich der drei Teiche in einem heutigen Sumpfgebiet an der Kampstr. , einem vor Ort nicht ausgeschilderten Feldweg. Von dem 1600 abgebrannten Anwesen ist keine Spur im Gelände sichtbar. Allerdings sollen die Grundmauern des Brunnens im Sumpf noch vorhanden sein. Der Adelssitz gehörte seit 1418 zu Haus Ruhr in Schwerte-Wandhofen, Hagener Str. 241. Das Wißstraßentor stand an der Wißstr. , der Markt befindet sich am Markt in Dortmund. Der Michaelistag ist der 29. September.

Haus Vierbecke (WGS 84: 51.477733° 7.641483°)

Haus Ruhr (WGS 84: 51.420633° 7.546967°)

Multimedia

Gelesen von Gisela Schnelle-Parker, Aufnahme und Bearbeitung von Robin Parker.



Literaturnachweis

  • RS, Nr. 118 (nach Gronemann, 19-21; Palme, 1987, Nr. 48 + Am.)


Hier finden Sie: Haus Vierbecke (51.477733° Breite, 7.641483° Länge)

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Dieser Text wurde folgendem Buch von Dirk Sondermann entnommen:

Emschersagen. Von der Mündung bis zur Quelle.
Bottrop: Henselowsky Boschmann Verlag, 2006
ISBN 3-922750-66-4.




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